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Der Fluch von Colonsay

Titel: Der Fluch von Colonsay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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Tür und brachte sie in den Wintergarten, der früher einmal eine offene Veranda gewesen war und nun die winterlichen Sonnenstrahlen einfangen sollte. Doch heute kam die einzige Wärme dort aus einem Heizlüfter, der auf vollen Touren lief. Die Bewohner lagen in Liegestühlen, als wären sie Kreuzfahrtteilnehmer auf einem Luxusliner.
    Eine alte Dame mit sorgfältig frisiertem Haar nickte ihnen zu, als sie an ihr vorbeigingen. »Schreckliches Wetter«, meinte sie. »Aber man muss eben das Beste daraus machen.«
    Als ob sie im Hotel wäre und nicht im Altersheim, dachte Rosamund.
    Enderby saß direkt am Fenster; sein Stuhl stand zwischen der Scheibe und einem großen Farn. Er trug einen grünen Pullover und hatte einen Buckel. Dadurch wirkte er, wie er sie so von unten herauf ansah, unter den grünen Farnwedeln auf Rosamund wie eine große schwarzäugige Raupe.
    Sie war nervös. Enderby mochte verknitterter und krummer aussehen als früher, aber sie hätte diese klugen Knopfaugen überall wiedererkannt. Ohne zu blinzeln, starrte er ihr und Gary entgegen, als sie näher kamen.
    »Rosie«, rief er und lächelte, sodass seine falschen weißen Zähne blitzten.
    »Enderby.« Sie beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn auf die Wange.
    »Gary.« Die schwarzen Augen hefteten sich auf seinen Enkel.
    »Du schaust super aus.« Gary zog zwei Stühle heran und stellte sie vor den alten Herrn. Vor dem Fenster plätscherte der Regen trostlos auf die Pflanzen in dem üppigen Garten herab.
    »Kann mich nicht beklagen.« Enderby wandte sich nach der kurzen Begrüßung gleich wieder Rosamund zu. »Du gleichst deiner Großmutter sehr, Rosie. Der Mund und die Augen vor allem. Deine Frisur ist natürlich anders. War in ihren jungen Jahren eine sehr schöne Frau, die Ada. Was für eine Schande, dass sie nie rausgekommen ist oder was unternommen hat. So eine Verschwendung.« Er schüttelte den Kopf.
    »Sie sah das wohl anders.« Rosamund wählte ihre Worte vorsichtig. »Colonsay und die Cunninghams waren ihr Leben.«
    »Und du«, korrigierte er sie sofort.
    »Ich rangierte ziemlich weit hinter den beiden ersten Dingen.«
    »Sie hat dich sehr geliebt, Rosie. Hat ihr Bestes gegeben. Ich behaupte jetzt nicht, ihr Bestes wäre immer das Richtige gewesen – sie war einfach nicht der mütterliche Typ. Darunter hat sie selbst am meisten gelitten. Sie hat einen Schaden davongetragen oder wie sie das heute nennen. Schien ziemlich unwahrscheinlich, dass aus ihr die perfekte Großmutter werden würde. Und du warst ein schwieriges Mädchen, kleine Rosie. Trotzig und verschlossen. Manchmal denke ich, du hast ihr Angst gemacht.«
    Das alles klang, als würde er über jemand anderen reden. Rosamund versuchte sich in der Beschreibung des trotzigen und verschlossenen Kindes wiederzuerkennen. Vergeblich. Es war zu lange her, und sie hatte sich verändert.
    »Wusstest du von den Stimmen, die ich als Kind gehört habe?«, fragte sie übergangslos.
    Der Ausdruck der schwarzen Augen veränderte sich nicht. »Ich glaube nicht an solchen Mist, hat also keinen Zweck, mich zu fragen.«
    Eins zu null für Enderby.
    »Sie ist nicht an Grippe gestorben, weißt du«, sagte er dann.
    »Ah ja?« Sie hatte keine Ahnung, worüber er sprach, und lächelte aufgesetzt.
    »Ambrosine«, murmelte Gary ihr hilfreich ins Ohr.
    »Wurde natürlich alles vertuscht«, fuhr Enderby fort. »Musste ja sein. War ein wichtiger Mann, Nationalheld. Hatte auch viele wichtige Freunde, die dafür sorgten, dass auf den Namen kein Schatten fiel. Die Wahrheit ist nie ans Tageslicht gekommen. Aber Ada wusste es. Das war das Geheimnis, das sie in Colonsay hielt. Sie war Colonsay verpflichtet und Colonsay ihr.«
    »Ich verstehe kein Wort.« Rosamund beugte sich näher zu ihm hin. »Was wurde vertuscht?«
    Enderby schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. »Gary weiß es. Richtig, Gary?«
    Gary warf ihm einen Seitenblick zu. »Ich weiß, was du immer erzählt hast. Aber ich habe nie wirklich daran geglaubt.«
    »Wolltest nie wirklich daran glauben, meinst du wohl. Los, sag es ihr.« Seine Stimme wurde lauter. »Erzähl ihr alles. Alles!«
    Die anderen Bewohner blickten in Enderbys Richtung, was er jedoch einfach ignorierte. Wäre er in der Lage gewesen, vor Aufregung in seinem Stuhl auf und nieder zu hüpfen, hätte er es getan. Es sah aus, als zuckte sein ganzer Körper.
    Gary seufzte und sah Rosamund entschuldigend an. »Enderby glaubt, Cosmo hätte zuerst Ambrosine umgebracht und sich dann selbst

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