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Der Fluch von Colonsay

Titel: Der Fluch von Colonsay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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möglich gehalten, dass sie eine Stiftung gemacht hat. Wahrscheinlich hatte sie keine andere Wahl. Verkaufen konnte sie das Porträt ihrer ermordeten Mutter kaum. Und Aufhängen ging auch nicht. Ich schätze, bis sie es weggegeben hat, stand es auf dem Dachboden.«
    »Warum konnte sie Ambrosines Bild nicht im Haus aufhängen? Ich kann dir da nicht ganz folgen.«
    Sie sah ihn überrascht an.
    »Na, es würde sie doch ständig an die Vorfälle erinnern. An das Geheimnis, das sie versuchte zu bewahren. Nein, sie musste es irgendwie loswerden.«
    »Und warum hat sie dann bis 1930 damit gewartet?«
    »Vielleicht hat sie 1930 angefangen, nach verkäuflichen Gegenständen zu suchen. Hat eingesehen, dass sie ohne zusätzliches Geld in Colonsay nicht überleben konnte.« Rosamund machte eine Pause, um durchzuatmen. »Ich habe noch etwas herausgefunden, Gary. Da hing ein weiteres Porträt von Henry Marling. Von einem Mädchen namens Alice. Das war sie, Gary. Das Geistwesen. Das braunhaarige Mädchen.«
    »Du meine Güte!«
    Rosamund angelte auf dem Rücksitz nach der Tüte des Museumsshops. »Ich habe ein Buch über Marling gekauft. Darin gibt es Abbildungen all seiner Werke. Während ich auf dich wartete, habe ich ein bisschen darin gelesen. Wusstest du, dass er mit Cosmo Cunningham befreundet gewesen ist? Deswegen hat er vielleicht den Auftrag für das Gemälde von der konstituierenden Sitzung des Staatenbundparlaments bekommen. Er war oft in Colonsay und arbeitete in einem der Zimmer im ersten Stock an Ambrosines Porträt. Damals muss er auch Alice gemalt haben.«
    »Warte«, unterbrach Gary sie. »Wer war Alice? Eine Tochter?«
    »Nein.« Rosamund dachte nach. »Keine Tochter. Ein Dienstmädchen, würde ich denken. Er muss sie in Colonsay gesehen und interessant genug für ein Bild gefunden haben. Sie sieht ja auch interessant aus, irgendwie anders.« Sie fand die richtige Seite und hielt sie ihm hin. »Schau.« Gary blickte zwischen der Straße und dem Bild hin und her.
    »Finde ich nicht. Ziemlich finstere Miene. Kein Wunder, dass du in Ohnmacht gefallen bist, als sie auf einmal hinter dir stand.«
    Rosamund starrte die Abbildung an. Sie konnte sich an jene Nacht ziemlich gut erinnern. An die Stille im Westflügel und das Gefühl, beobachtet zu werden. An das Rascheln des Kleiderstoffs und den Klang der Schritte. An Alice mit ihren offenen braunen Haaren, ihrem gefassten Gesicht, viel zu alt für ihre Jahre. Und an ihre funkelnden, sehr lebendigen Augen.
    Ihr lief es kalt den Rücken hinunter.
    »Sie wirkte nicht so, als ich sie gesehen habe. Sie sah schon so aus wie auf dem Bild, aber sie war lebendig. Ein lebendiger Mensch, kein Abbild.«
    »Dein Gerede bringt mich völlig durcheinander.«
    Rosamund musste lachen, das erleichterte sie. »Entschuldige.«
    Er schwieg für einen Moment, konzentrierte sich auf den Verkehr. Draußen verdunkelte sich bereits der winterliche Himmel über Melbourne. Aus den Fenstern der Gebäude fiel helles Licht, und die Neonreklameschilder leuchteten. Auspuffgase stiegen als Nebelwolken in der kalten Luft empor. Eine Straßenbahn rumpelte vorbei.
    »Es ist etwas an dem dran, was Enderby uns erzählt hat«, sagte Gary schließlich. »Obwohl meine Kontakte bisher nicht viel ergeben haben, war ich mir dessen ziemlich sicher. Ich habe eine Nase für so etwas.«
    »Deine lange Journalistennase, die du überall hineinsteckst, meinst du?«, neckte sie ihn.
    Er grinste.
    »Ja, genau. Aber es wird nicht leicht werden, die Fakten zu erfahren. Vielleicht solltest du es versuchen. Erinnere sie daran, wer dein Urgroßvater war. Du hast ein Recht auf die Wahrheit.«
    »Ich kenne niemand, der einflussreich genug wäre, um so eine Anfrage auf den richtigen Weg zu bringen.«
    »Du kennst Mark Markovic.«
    Sie war verblüfft. Mark um einen Gefallen bitten? Darüber wäre er ziemlich verwundert. Er würde sich sofort fragen, was sie vorhatte. Aber der Ausdruck auf seinem Gesicht wäre den Versuch vielleicht wert.
    »War ein Scherz«, sagte Gary trocken. »Überlass das alles im Moment mir. Wenn ich nichts Handfestes herausbekomme, gibt es andere Wege, die wir beschreiten können.«
    Er spricht sogar wie ein Journalist, dachte Rosamund und ärgerte sich sofort darüber. Gary hatte viel für sie getan und hatte Besseres verdient. Vielleicht sollte sie ihm sagen, dass die letzte Nacht ein Fehler gewesen war, dass sie einen Rückzieher machen wollte. Doch dann wandte sie sich ihm zu und legte wie zufällig eine

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