Der Fluch von Colonsay
muss ich alles stehen und liegen lassen, muss Dinge tun, die ich verabscheue? Das werde ich nicht machen, Kerry. Ich habe mich verändert, und zwar unwiderruflich.«
»Dann mach, was du willst. Aber er braucht dich. Er ist gekommen, weil er dich braucht.«
»Er ist gekommen, weil er sonst nirgends hinkann«, spottete Rosamund. In demselben Moment erkannte sie, dass das auch für sie selbst galt. Sie konnte ebenfalls nirgendwo anders hin. Colonsay war zu ihrer letzten Zufluchtsstätte geworden.
Rosamund öffnete die Tür zur Bibliothek. Mark saß in einem der beiden Ledersessel. Er stützte sich auf seine Knie und starrte in die Asche des Kamins. Mit einem ungeduldigen Aufseufzen schob Rosamund die Asche in ein Stück Zeitung und entfachte ein neues Feuer, das sich schnell ausbreitete.
Still verfolgte sie, wie das Holz zu brennen begann. Ungewollt kam ihr das letzte Zusammentreffen mit Mark an diesem Ort in den Sinn, bei dem er die Arme um sie gelegt hatte. Rosamund drehte sich um und blickte ihrem Mann in die Augen. Er beobachtete sie abwartend. Ihre Gedanken standen ihr anscheinend ins Gesicht geschrieben, denn er begann zu erzählen, ohne dass sie fragen musste. Sein Tonfall war ruhig, aber bitter.
»Vergangene Nacht habe ich einen Anruf bekommen. Man bat mich zu bestätigen oder zu verneinen, dass meine Firma am Bau eines Bordells beteiligt war. Natürlich verneinte ich das. Man nannte mir Namen und Daten, doch ich leugnete weiterhin. Ich hatte ja keine Ahnung!« Er fuhr sich mit der Hand übers Kinn. »Dann rief ich ein paar Leute an und musste zu meinem Erstaunen feststellen, dass wir das Bordell wirklich gebaut hatten und zu den Anteilseignern gehörten. Alles ganz legal.«
»Und du hast nichts davon gewusst?«
»Nein.« Er starrte sie an, schluckte seinen Ärger hinunter. »Nein, ich wusste nichts. Gar nichts. Ich hätte nie meine Einwilligung dazu gegeben.«
»Bist du dort gewesen, Mark?«
Er schien bestürzt. »Ich habe dir doch gerade gesagt, dass ich nicht einmal von der Existenz dieses Gebäudes wusste.«
»Du sagtest, du würdest vor Gericht Klage einreichen. Wie soll das gehen, wenn alles der Wahrheit entspricht?«
»Die Anwälte sollen meine Seite der Geschichte darlegen. Und sollten es die Medien in ihrer Begeisterung über eine saftige Geschichte übertreiben, werde ich auch dagegen klagen.«
»Wird das genügen? Wird das dem Ganzen ein Ende setzen?«
Mark lachte verärgert. »Ein Ende setzen? Das bezweifle ich. Ich denke darüber nach, den Aufsichtsrat zu verlassen. Die Verbindung zur Firma zu trennen. Das könnte helfen. Die Zentrale in Melbourne brodelt. Dort kann ich mich nicht blicken lassen – schon gar nicht in meinem Büro. Die offiziellen Würdenträger dringen auf Abstand – sie haben Angst, der Kontakt mit mir würde sie mit meinen vorgeblich anrüchigen Geschäften in Verbindung bringen. Also bin ich nach Colonsay gekommen. Hier findet mich keiner, jedenfalls vorläufig nicht. Und bis dahin habe ich mir eine Strategie ausgearbeitet. Bis zu den Vorwahlen sind es noch ein paar Wochen.«
»Du willst das also aussitzen?«
»Natürlich, eine andere Möglichkeit bleibt mir nicht.«
Das Feuer begann Wärme zu verbreiten. Rosamund trat ein Stück zurück und strich sich geistesabwesend über die Kleidung, während sie nachdachte. Sie hatte zwar genug Gründe, ihm zu misstrauen, trotzdem schien sein Bericht der Wahrheit zu entsprechen.
»Also gut«, stimmte sie zu. »Du kannst eine Zeit lang bleiben. Aber die Lage im Haus ist anders, als du dir das vorstellst, Mark. Colonsay ist kein gemütlicher alter Familiensitz. Es geschehen Dinge, die … na ja.« Sie zuckte mit den Schultern als Antwort auf seinen ungläubigen Gesichtsausdruck. »Du wirst schon sehen. Ich gehe jetzt erst einmal und richte ein Zimmer für dich her. Hast du Gepäck dabei?«
»Nur eine Reisetasche. Zum Packen war keine Zeit. Ich wollte nicht, dass jemandem meine Abreise auffällt.«
»Kerry kommt gleich mit ein paar Sandwiches.«
»Danke.«
Sie sah auf ihn herunter. Das Flackern des Kaminfeuers spiegelte sich in seinen grauen Augen und ließ die Schatten unter seinen Augen nur noch tiefer wirken. »Mark, du hast einmal zu mir gesagt, dass ein Bordell eine sichere Geldanlage wäre. Erinnerst du dich daran?«
Er blinzelte und schüttelte den Kopf. »Vielleicht ist das so. Das bedeutet aber nicht, dass ich mich an einem beteiligen würde.«
»Und das ist die Wahrheit?«
»Ja doch, um Himmels
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