Der Fluch von Colonsay
wirst doch für mich sorgen, Mark?«
Er stieß ein bellendes Lachen hervor. »Das habe ich immer getan. Mach die Tür zu, damit wir fahren können. Es wird alles gut, Rose, du wirst schon sehen.«
Trotz ihrer Rolle als ergebene Ehefrau war Rosamund davon überrascht, wie er sich so sehr in die eigene Tasche lügen konnte. Sah er nicht, dass nichts gut war und auch nicht mehr in Ordnung gebracht werden konnte?
Doch sie seufzte: »Ja, Mark«, und spürte, wie er sich entspannte. Sie beugte sich in Richtung Beifahrertür. Als er den Schlüssel in die Zündung steckte, sprang sie aus dem Auto. Er griff nach ihr. Sie hörte, wie ihre Bluse zerriss. Dann rannte sie über den schlammigen Boden.
»Du Schlampe!«, schrie er ihr völlig außer sich hinterher. »Du verdammte Schlampe, ich bringe dich um!«
Rosamund wich einem Holzstapel aus und erwartete, dass Mark aus dem Wagen springen und sie verfolgen würde. Doch stattdessen hörte sie, wie der Motor ansprang. Sie blickte über ihre Schulter zurück.
Mit einem lauten Aufheulen des Motors beschleunigte Mark das Auto. Schlamm spritzte auf. Er verfolgte sie.
Die Kehle wurde ihr eng. Die kalte Luft brannte in ihrer Lunge, sie hustete und schluchzte. Als das Auto sich näherte, warf sie sich entschlossen zur Seite. Sie rollte herum und über den nassen Boden, schürfte sich Hüften und Knie auf. Ein paar Meter weiter brachte Mark den Wagen quietschend zum Stehen. Als Rosamund sich aufsetzte, sah sie ihn rückwärts auf sich zuschießen. Die kalte Luft bildete Wolken vor dem Auspuff, die Gase stachen ihr in die Nase.
Da ereignete sich vor ihren erstaunten Augen etwas ziemlich Überraschendes. Zwischen Rosamund und dem Auto erschien eine Lichtsäule. Der Wagen wurde langsamer und blieb schließlich stehen. Rosamund sah Marks schreckensbleiches Gesicht. Einen Augenblick lang schien die Welt still zu stehen, dann legte Mark den Vorwärtsgang ein und gab Vollgas. Das Auto schoss davon, die Einfahrt hinunter, weg von Colonsay. Weg von Rosamund.
Die Lichtsäule tanzte über dem Boden. Rosamund konnte vage ein Gesicht erkennen, bevor sie die Kraft verließ. Ein schmales bleiches Gesicht mit leuchtenden, wissenden Augen. Die Haare und der Rock des Mädchens wehten im imaginären Luftzug. Kein Laut war zu hören.
»Danke, Alice.« Rosamund fand schließlich ihre Stimme wieder, wenn sie auch nur ein mühsames Krächzen herausbrachte.
Das Geistwesen flackerte ein letztes Mal auf, um dann zu verglühen. Rosamund würde später schwören, dass sie einen Abschiedsgruß gehört hätte.
***
Ambrosine wurde in einer einfachen Zeremonie auf Colonsay beigesetzt. Cosmo jedoch bekam ein Staatsbegräbnis. Sein Leichnam war nicht gefunden wurden, doch die Ermittler entschieden auf Selbstmord.
Alice’ letzte Verpflichtung auf Colonsay war die Teilnahme an Ambrosines Beerdigung. Sie ging hinter dem Wagen mit den gläsernen Seiten. Eine Wolke weißer Rosen füllte sein Inneres und bedeckte den Sarg. Alice beugte den Kopf in vorgeblicher Trauer. Doch sie fühlte nichts und dachte stattdessen an Bertie. Um ihn trauerte sie wirklich.
Nun, das alles war Teil des Versprechens, dass sie Mr Kirkwood gegeben hatte.
Am Grab stand Alice neben ihren Eltern. Sie befanden sich draußen vor dem Lattenzaun, der die Grabstätte der Cunninghams umgab. Neben ihnen Petersham in seinem gebürsteten roten Überrock. Ihm rannen die Tränen über die rotfleckigen Wangen.
Alice hatte sich inzwischen so sehr daran gewöhnt, ihre Gefühle zu verbergen, dass ihr das alles wenig ausmachte. Sie fand ihr Verhalten auch nicht seltsam oder unnatürlich, eher im Gegenteil. Manchmal, nachts, da weckte sie ein Blutgeruch, der sich in ihrer Kehle festgesetzt hatte. Dann musste sie lange husten, bis sie ihn los war. Doch sonst fühlte sie sich wie immer.
Mr Kirkwood sagte ihnen, Miss Ada bliebe bei seiner Frau in Melbourne. Colonsay würde leer stehen. Ein Hausmeisterpaar aus Geelong war eingestellt worden. Das Haus gehörte Ada; irgendwann konnte sie entscheiden, was damit geschehen sollte. Mr Kirkwood fügte hinzu, dass für sie alle Vorkehrungen getroffen worden seien.
Meggy ging zurück in ihre Heimat. Sie hatte sich ein wenig erholt, trauerte aber immer noch, was man ihrem Gesicht und ihren Augen ansah. Mrs Gibbons schluchzte in ihre Suppe und wirkte zehn Jahre älter. Alle machten einen großen Bogen um das Empfangszimmer, das für sie immer vom Blutgeruch und den Flecken gezeichnet sein würde. Sie konnten den
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