Der Fluch von Colonsay
Kaffee ergoss sich über das Telefonbuch und Rosamund.
»Rose? Rose?«
Sie hörte Garys Stimme, leise und aus weiter Ferne, hob den Hörer auf und hielt ihn sich wieder ans Ohr. »Entschuldige, Gary, ich kann im Augenblick nicht mit dir sprechen. Später …«
Sie legte auf.
Auf der Treppe knarrte eine Stufe. Rosamund fuhr herum. Mark sah auf sie herab. Sein Gesicht verriet ihr, dass er gelauscht hatte. Er wusste, dass sie wusste … Es gab keine Ausflüchte mehr, auch wenn sie danach gesucht hätte.
***
Mrs Gibbons schüttete sich etwas von ihrer Spezialmedizin in die Teetasse und trank schnell aus. Sie wartete auf den leichten Nebel, der ihr die Sinne trüben sollte. Ihre Aufgabe war es, Madam zu waschen und sie für den Sarg herzurichten. Das hatte sie Mr Kirkwood gesagt.
»Niemand sonst rührt sie an«, hatte sie aggressiv und doch den Tränen nahe hinzugefügt. »Es muss liebevoll gemacht werden, Sir.«
Er war einverstanden und versicherte ihr seine Unterstützung. Den anderen Dienstboten wurden ebenfalls Aufgaben zugewiesen. Außerdem musste jemand in den Ort geschickt werden, um die Familien zu informieren und ihnen zu sagen, dass vorläufig keiner von ihnen nach Hause kommen würde. Colonsay stand unter Quarantäne.
Der Körper von Ambrosines kleinem Hund Cleo lag in ein Laken gehüllt im Hof und wartete darauf, vergraben zu werden. Blieb das ganze Blut im Empfangszimmer. Das Sofa, auf dem Ambrosine den Brief ihres Bruders gelesen hatte, konnte nur noch verbrannt werden, ebenso die Teppiche auf dem Boden.
»Wir brauchen viel Scheuerwasser«, sagte Mr Kirkwood zu Meggy und Alice. Meggy ließ sofort den Kopf wieder sinken und begann zu weinen. Alice seufzte und sah Mr Kirkwood an.
»Ich kümmere mich darum, Sir.«
Er nickte, und sie sah, dass ihr klarer Kopf ihn beeindruckte. »Gray, einer meiner Männer, wird dir helfen, so gut er kann.«
Gray mit dem glänzenden schwarzen Mantel. Sie fragte sich, ob er Mr Kirkwood von ihrer Begegnung im Garten erzählt hatte, wusste aber eigentlich, dass das nicht der Fall gewesen war. Das würde nämlich ein schlechtes Licht auf ihn selbst werfen.
»Danke, Sir.«
»Bist ein braves Mädchen, Alice. Dafür wirst du eine Belohnung erhalten. Ich werde mich persönlich dafür einsetzen.«
Der Gedanke an diese Belohnung hielt sie bei der Stange. Wenn der Blutgeruch und der Anblick zu viel für sie zu werden drohten, erinnerte sich Alice daran, dass sie bald in Melbourne sein würde und nie wieder nach Colonsay zurückkehren musste. Das half.
»Du lieber Himmel«, flüsterte Gray, als sie das Empfangszimmer betraten. Er wurde ganz blass um die Nase. »Schaut aus, als ob einer ein Schwein abgestochen hätte.« Das Blut befleckte Boden, Wände und sogar die Decke.
»Hol den Schrubber«, befahl ihm Alice grimmig. »Und dann nimm die Vorhänge herunter. Die sind zu nichts mehr zu gebrauchen.«
Gray sah sie von der Seite an, erledigte aber, was sie ihm aufgetragen hatte. Die Zeit verging. Seite an Seite arbeiteten sie in verbissenem Schweigen. Alice spürte, dass sich seine Einstellung ihr gegenüber veränderte. Verwirrung und Furcht lösten die vorher vorhandene Geringschätzigkeit für das unwichtige Dienstmädchen ab. In den folgenden Tagen der Quarantäne hielt er sich tunlichst fern von ihr.
Alice war das egal. Mr Kirkwood bot ihr eine Stelle in seinem Haushalt an, die sie sofort annahm. Sie würde vielleicht Meggy vermissen, aber niemanden sonst. Und sogar Meggy war nicht mehr das muntere Mädchen von einst. Das hatte sie Jonah zu verdanken.
Seit dem besagten Tag blieb er verschwunden. Zuerst hatte Meggy geschwiegen, aber die Sorge um seine Sicherheit brachte sie schließlich dazu, sich Mr Kirkwood zu offenbaren. Sie suchten nach ihm, fragten vorsichtig überall herum, um keinen Verdacht zu erregen, doch er blieb unauffindbar. Niemand hatte ihn gesehen.
»Er ist auf und davon«, sagte Alice. »Vielleicht hat ihm das ganze Durcheinander Angst gemacht. Das kann ich ihm nicht verdenken. Vielleicht ist er zurück nach Hause gegangen.«
Meggy wollte das gern glauben, aber Alice spürte, dass sie es nicht konnte.
Alle trauerten um Cosmo und Ambrosine. Da blieb für Jonah nichts mehr übrig. Meggys Kummer ging im allgemeinen Wehklagen unter.
21
Mark schloss die Tür der Bibliothek.
Rosamund konnte ihn kaum ansehen. Sie hatte Schmerzen in der Brust, und ihr war übel. Obwohl sie selbst nichts getan hatte, fühlte sie sich schuldig.
Sie drehte sich um. »Um
Weitere Kostenlose Bücher