Der Fluch von Colonsay
es!«
Adas weißes Gesicht war noch weißer geworden, ihre Stimme dünn und spitz. »Deine Gefühle in dieser Angelegenheit sind nicht von Interesse für mich.«
Tja, Ada hatte Wort gehalten, dachte Rosamund, die noch immer ihr Spiegelbild betrachtete. Colonsay gehörte nun ihr. Und da stand sie nun, ihre Gesangskarriere ein schlechter Witz, ihr Leben in Scherben. Ihr blieb nichts zu tun, als dem Haus wieder seinen alten Glanz zurückzugeben. Ada wäre überaus erfreut gewesen.
Vielleicht hatte Adas Stimme sie Rosie genannt, und es waren im Keller Adas Schritte gewesen. Vielleicht konnte Ada immer noch nicht das Haus verlassen, an das sie sich zeitlebens geklammert hatte.
Sobald ihr dieser Gedanke durch den Kopf schoss, verwarf ihn Rosamund sofort wieder. Die tiefe, volle Stimme gehörte zu einem Mann. Und die Schritte waren leicht und schnell gewesen, wie die einer Frau oder eines Kindes.
Sie schauderte und wandte sich vom Fenster ab.
Rosamund glaubte nicht an Geister. Jeder Gedanke an eine unsichtbare Welt hinter der sichtbaren erschien ihr inakzeptabel. Und doch – woher war die Stimme gekommen? Und die Schritte?
Oben angekommen, schloss Rosamund die Schlafzimmertür hinter sich. Sie hatte die Putzbrocken zusammengekehrt, den Boden gewischt und die zwei fadenscheinigen Teppiche mit dem kaum noch erkennbaren Orientmuster ausgeklopft. In dieser etwas ordentlicheren Umgebung zog sie sich nun aus.
Draußen heulte der Wind durch die großen Kiefern hinter dem Haus, aber auf der Vorderseite war es ruhiger. Die Vorhänge waren geöffnet, und Rosamund konnte durch die Fenster die Signallichter auf den You-Yang-Bergen blinken sehen. Sie drückte ihre Stirn ans kühle Glas und sah für einen Moment hinaus.
Sie fragte sich, was Mark wohl gerade machte. War er auf einer Besprechung, bei einem Abendessen? Fand er gerade neue Freunde und Unterstützer, lächelte er das Lächeln, das alle so mochten?
Rosamund erinnerte sich an dieses Lächeln. Einst hatte sie ihn deswegen für den attraktivsten Mann auf der ganzen Welt gehalten. Er war ihr so kultiviert, so gewandt vorgekommen. Sie hatte es kaum glauben können, als sie erfuhr, woher er kam. Die schreckliche Armut, die erzwungene Auswanderung, der brutale tägliche Überlebenskampf hatten aus Mark den getriebenen und nach Erfolg strebenden Mann gemacht, der er war. Er verfolgte seine Ziele so unerbittlich, dass er Rosamund darüber völlig vergessen hatte. Und als sie sich selbst verloren hatte, war niemand da gewesen, der ihr zurückgeholfen hätte.
Vielleicht war ihm gar nicht klar gewesen, wie sehr sie ihn brauchte. Als sie ihn damals in dem verrauchten Pub kennengelernt hatte, war es ihr gelungen, eine gewisse Lebenstüchtigkeit vorzutäuschen. Die Jahre mit Dave hatten ihr dabei geholfen. Dave hatte mit der Zeit all ihre Kanten abgeschliffen und die Leerräume gefüllt. Er hatte ihr das Selbstvertrauen gegeben, das sie brauchte, um ihre Lieder zu singen, ohne sich allzu sehr um das Publikum zu sorgen. Es hatte ihr genügt, zu singen; das löste sie aus ihrem Gefangensein in sich selbst, fast wie eine spirituelle Erfahrung. Eines Tages hatte sie Dave davon erzählt, doch er hatte so sehr darüber gelacht, dass sie es als Scherz abgetan hatte.
Sie hatte mit Dave zusammengelebt, als sie Mark traf. Und vor Dave waren noch ein paar andere Männer in ihrem Leben gewesen. Sie hatte sich für erwachsen gehalten.
Doch das war ein Irrtum gewesen.
Rosamund starrte hinaus in den Garten, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. Die Lichter auf den Bergen blinkten erneut. Sie blinzelte zurück. Ihre bloßen Füße fühlten sich auf dem blanken Dielenboden kalt an. Es war eisig im Zimmer.
Als sie ins Bett stieg, ertönte oben auf dem Dachboden ein dumpfer Knall.
5
Du siehst ziemlich blass aus, Alice«, sagte Mira und setzte sich das Baby auf die Hüfte. »Geht es dir gut?«
»Ja, Mutter.«
Mira seufzte. Ihre Tochter war während der letzten beiden Besuche mürrisch gewesen, und sie konnte den Grund dafür nicht herausfinden. Zwölf war eben ein seltsames Alter.
»Wir haben über Mr Cunningham in der Zeitung gelesen«, fuhr sie fort. »Dass er bei den Wahlen für das Parlament des Staatenbunds einen Sitz errungen hat.«
Mr Parkin bedachte seine Frau mit einem ungeduldigen Blick. »Wie hätte ein Mann wie er wohl scheitern sollen?«
Alice erinnerte sich, dass ihr Vater Cosmo einst aus dem Meer gerettet hatte, als sie beide noch Knaben gewesen waren. Sie hätte ihn gern
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