Der Fluch von Colonsay
gewöhnt war, wie sie die Halbinsel Bellarine zu bieten hatte? Das Outback war keine romantische Kulisse wie in Mr Pattersons Gedichten, sondern ein hartes und grausames Land.
Alice mochte den Busch nicht. Sie wollte lieber in der Stadt wohnen, wo etwas los war. Aber nicht als Dienstmagd, niemals. Nein, sie wollte ein selbstbestimmtes Leben führen. Sich ihre Träume und Wünsche erfüllen. Der Wind wehte Haarsträhnen in ihr Gesicht, die sie ungeduldig wegwischte.
Der Dampfer stieß dunkle Rauchwolken aus, während er sich vom Pier entfernte. Die Räder schaufelten Wasser nach oben. Dann kam das traurige Pfeifen zum Abschied. Cosmo und Ambrosine kamen über den Pier zurück, hinter ihnen Ada mit ihrer Gouvernante. Cosmo wandte sich lachend an einen seiner Gäste, während Ambrosine mit einer Hand ihren Strohhut festhielt. Ihr Haar war hochgesteckt, sodass die elegante Linie ihres Rückens in ihren anmutigen Nacken überging. Der Wind blähte den Ärmel ihrer Bluse, entblößte ein paar Zentimeter Haut zwischen der Spitze an der Manschette und dem weißen Handschuh. Sie musste gar nicht versuchen, schön auszusehen, dachte Alice verärgert. Sie war es einfach.
Cosmo zwinkerte Alice zu, als er an ihr vorbeikam, und sie lächelte zurück. Ambrosine blickte Alice ebenfalls an, allerdings ohne jedes Lächeln. Ihr Gesicht erschien glatt, ausdruckslos. Ihre Blicke trafen sich, und Ambrosines schweifte ab, zu einem Punkt irgendwo hinter Alice. Leichte Röte stieg ihr in die Wangen, und sie neigte kaum merklich den Kopf, sodass der Hut ihren roten Kopf verbarg.
***
Die Arbeiter waren im ganzen Haus zugange, und Kerry bereitete zahllose Becher Kaffee und Tee in der Küche zu. Rosamund fragte sich, ob sie sich vielleicht dem Garten zuwenden sollte.
Der Vorgarten war in einem Zustand, gegen den ihre begrenzten Fähigkeiten nichts ausrichten konnten. Dafür brauchte Mark einen guten Landschaftsgärtner. Aber sie könnte im Küchengarten hinter dem Haus Unkraut jäten, ohne künftigen Entscheidungen vorzugreifen. Rosamund erinnerte sich an einen Artikel in einer Gartenzeitschrift, der beim Instandsetzen alter Gärten von jeglicher Eile abriet. »Unkraut jäten, Büsche zurückschneiden und abwarten«, hatte der Ratschlag gelautet. Genau das wollte sie nun tun.
Sie begann auf der linken Seite in der hintersten Ecke. Dort ragten hohe Kiefern in die Höhe, vor dem Drahtzaun und über den Resten von gemauerten Stallgebäuden, die langsam in sich zusammenfielen. Angetan mit alten Jeans, einem langärmeligen T-Shirt und dicken Handschuhen, brachte sie den ganzen Tag damit zu, mannshohe Disteln zu jäten.
In der Hütte hinter der Boxdornhecke gab es eine ganze Menge Gartengerätschaften, die jedoch auch dringend der Pflege bedurften. Auf den Brettern entlang der Wände lag in einem wüsten Durcheinander eine Vielzahl ebenso rostiger wie staubiger Werkzeuge. Die größeren Gerätschaften wie Schaufeln, Harken, Rechen und der Rasenmäher standen auf dem Boden. Ein verrostetes Schwert, das aussah, als sei damit Gras gesenst worden, lag zusammen mit einem Haufen Holzpfosten in einer Ecke. An der Rückseite der Tür hing ein fleckiger Mantel, steif von Dreck. Rosamund berührte ihn behutsam und dachte, dass er einst ein gutes Stück gewesen sein musste. In den Falten, wo der Stoff noch nicht ausgebleicht war, zeigte sich etwas wie blauer Tweed.
Sie konnte sich nicht erinnern, die Hütte häufiger als ein- oder zweimal in ihrem Leben betreten zu haben. Warum auch? Ada hatte einen Mann mit einem Haumesser gebeten, sich regelmäßig um die verwilderten Teile des Grundstücks zu kümmern. Die Reste des Gartens waren auch nur unregelmäßig gepflegt worden, wenn Ada die Mittel dafür aufbringen konnte. Und das war im Laufe der Zeit immer seltener der Fall gewesen. In Cosmos Tagen hatte es einen fest angestellten Gärtner gegeben. Vielleicht hatte ihm der Mantel gehört.
Nachdem sie Colonsay verlassen hatte, hatte Rosamund selbst ein wenig gegärtnert. Sie hatte sich um einen Blumenkasten und ein Gemüsebeet gekümmert, was Dave durchaus zu schätzen wusste. Die Band hatte sich über frische Lebensmittel gefreut, was ihr angesichts des Drogenkonsums irgendwie komisch vorgekommen war.
Als sie dann Mark geheiratet hatte, war außerhalb der Hausmauern für sie nichts mehr zu tun gewesen. Er schätzte Perfektion, also engagierte er einen Landschaftsarchitekten. So war er eben, dachte Rosamund bitter und hackte die nächste Distel
Weitere Kostenlose Bücher