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Der Fluch von Colonsay

Titel: Der Fluch von Colonsay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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nicht, ob sie lachen oder schimpfen sollte. »Ich hätte nicht gedacht, dass du das so empfunden hast. Ich dachte, du wärst einfach unhöflich.«
    »Ich mag das Haus nicht«, fuhr er fort, ohne auf sie zu achten. »Hab es nie gemocht. Ich kann überhaupt nicht verstehen, dass du freiwillig zurückgekommen bist. Was ist passiert? Liegt deine Ehe auf Eis?«
    Zorn schoss in ihr hoch. »Raus«, zischte sie verärgert.
    Er verzog das Gesicht zu einem halben Lächeln, und plötzlich erkannte sie, dass er sich kein bisschen verändert hatte.
    »Aber klar doch«, sagte er und schloss die Tür hinter sich.
    ***
    Der Raddampfer Ozon lag am Pier und rollte in der Dünung. Cosmo und Ambrosine sprachen mit Mr Barton. Die beiden dunkel gekleideten Männer bildeten den passenden Hintergrund für Ambrosines lila Rock, die weiße Stehkragenbluse und den Strohhut. Der enge Gürtel betonte ihre schlanke Taille. Die anderen Gäste hielten sich im Hintergrund und umklammerten ihre Hüte. Die Rockschöße der Herren und die Röcke der Damen flatterten in der steifen Brise.
    Es würde eine ruppige Überfahrt zurück nach Melbourne werden.
    Alice fragte sich, ob Mr Barton wohl seefest wäre. Er war auf attraktive Weise korpulent, mit gewelltem grauem Haar und angenehmen Manieren. Er hatte, wie er sagte, diese zwei Tage auf Colonsay genossen: das Essen, die Weine, die Gespräche, die Gesellschaft. Alice konnte sich nicht vorstellen, dass der Premierminister seekrank wurde wie ein gewöhnlicher Sterblicher.
    Sie sah zu dem Dampfer hinüber, Tränen in den Augen vom kalten Wind. Schwarzer Rauch drang aus dem einzigen Schornstein der Ozon. Sein Geruch mischte sich mit der Gischt. Passagiere in Freizeitkleidung standen an der Reling, um einen Blick auf die prominenten Mitreisenden zu werfen.
    Allen Dienstboten von Colonsay war gestattet worden, nach Clifton Springs zu gehen, um den Premierminister zu verabschieden. Auch einige Bewohner des Ortes hatten sich eingefunden. Im Mai, nach der ersten Parlamentssitzung, würden sie davon in der Zeitung lesen und sich sagen: »Ich habe Mr Edmund Barton leibhaftig hier erlebt.«
    Unter ihren Füßen konnte Alice durch die Lücken zwischen den Brettern des Piers herumschießende Fischschwärme und dunkel glänzende Muscheln sehen, die unterhalb der Flutmarke an den Pfählen saßen. Am sandigen Meeressaum stolzierten Möwen herum und suchten nach Leckerbissen. Zwei stritten sich lautstark um eine Krabbe und verteilten dabei Schnabelhiebe. Wäre Bertie hier, dachte Alice, würde er sich nicht für Mr Barton interessieren, sondern für die Vögel und die Fische. Er würde in seinem Buch nachschlagen und sich in seiner ordentlichen Handschrift Notizen machen. Bertie fand alle Säugetiere, Vögel, Mollusken, Steine und Pflanzen äußerst aufregend. Menschen dagegen fürchtete er. Er sagte, sie benähmen sich unvorhersehbar und ihnen sei nicht zu trauen.
    Alice musste ihm darin zustimmen.
    Der Premierminister begab sich mit seinem Gefolge an Bord des Raddampfers. Weiter draußen riss der Wind weiße Kämme von den aufgewühlten Wellen. Alice schmeckte das Salz der Gischt auf ihren Lippen. Die großen dampfgetriebenen Räder begannen sich zu drehen.
    Hinter ihr lehnte Jonah am Geländer des Piers, die braunen Stiefel übereinandergeschlagen, die Arme vor der Brust verschränkt. Er trug einen roten Schal um den Hals und eine alte, abgetragene Jacke, die einmal Cosmo gehört hatte. Mit einem amüsierten Lächeln in seinen dunklen Augen betrachtete er Alice. Die jedoch schürzte ihre Lippen und schaute zur Seite. Allerdings sah sie vorher, wie Meggy ihre Hand fest in Jonahs Armbeuge schob.
    Alice musste grollend anerkennen, dass er auf seine Weise gut aussah. Er war nicht so atemberaubend wie Mr Marling, aber von einer schwer fassbaren Anziehungskraft. Sie fragte sich müßig, warum er keine Frau hatte. Vor einem oder zwei Monaten war ein Mädchen aus der Stadt da gewesen, das regelmäßig in Jonahs Nähe aufgetaucht war. Meggy hatte sie verachtet, aber sie hielt sowieso keine Frau für gut genug, ihrem Bruder das Wasser zu reichen. »Er wird außerdem nicht ewig hier bleiben«, hatte sie gesagt. »Irgendwann geht er wieder dahin zurück, wo er herkommt.«
    »Ins Outback«, hatte Alice festgestellt.
    Das Mädchen aus der Stadt hatte jedenfalls aufgegeben und war nicht wieder aufgetaucht. Umso besser, dachte Alice. Wie würde denn ein Mädchen im Busch zurechtkommen, das an die Annehmlichkeiten der Zivilisation

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