Der Fluch von Colonsay
nicht mit ihr sprechen wollen? Schließlich war er ihr Mann.
Als sie den Tisch in der Eingangshalle erreichte, auf dem das Telefon stand, wartete sie kurz, bis Kerry die Küchentür hinter sich geschlossen hatte. Dann drückte sie die Zigarette aus und nahm den Hörer.
»Mark?«
»Wer ist dieser Gary Munro?«
Also hatte Kerry es ihm erzählt. Rosamund fragte sich irritiert, was das sollte. Sie atmete tief durch. »Ich kenne ihn von früher.«
»Warum übernachtet er in Colonsay?« Er klang eher ungeduldig als neugierig, als ob man ihn gerade aus einer Besprechung geholt hätte. Rosamund spürte, wie ihr Puls sich beschleunigte, als sich seine Stimmung auf sie übertrug.
»Hat dir das Kerry nicht gesagt?«
»Nur, dass irgendein Tier oder so auf dem Dachboden herumgelärmt hat.«
Rosamund sagte nichts und lauschte seinem raschen Atem.
»Rosamund? Was ist los? Ich habe dich da hingeschickt, damit du dich um die Renovierungsarbeiten kümmerst. Es war keine Rede davon, dass du dahergelaufenes Gesindel aufnehmen sollst.«
»Colonsay gehört mir. Ich entscheide, wen ich aufnehme, Mark.« Hatte sie das wirklich gesagt? Ihr Herz klopfte vernehmlich, aber sie zwang sich, die Finger um den Hörer zu lockern.
»Rosamund.« Ein zischendes Ausatmen, als ob sie in einen prall gefüllten Ballon gepiekt hätte. Sie entspannte sich etwas.
»Er ist ein alter Freund, Mark. Total achtbar und bieder. Ein Schriftsteller. Sein Großvater lebt seit ewigen Zeiten auf der Halbinsel.« Sie nannte Gary achtbar und bieder, trotz aller ungeklärten Fragen über seine Vergangenheit, erzählte Mark, was er hören wollte.
»Ach so.« Er war erleichtert, das konnte sie an seiner Stimme merken. Sie hatte es ihm erspart, sich wieder um eines ihrer schmutzigen kleinen Probleme kümmern zu müssen.
»Wolltest du sonst noch etwas?«
»Hast du den Artikel im Age gesehen?« Hatte sie natürlich nicht, also erzählte er ihr alles. Der Journalist war sehr großzügig gewesen, und das Foto schmeichelte ihm. Es gab auch eine neue Umfrage über den Ausgang der Vorwahlen, die sehr gut für ihn ausfiel.
Mark redete und redete. Rosamund starrte an die Korkpinnwand vor ihrem Gesicht, auf die Namen und Telefonnummern, und versuchte einen interessierten Eindruck zu machen.
Ich sollte das nicht tun, sagte sie zu sich selbst. Mit jeder neuen Umfrage, jedem neuen Artikel entfernte sich Mark weiter von ihr. Er braucht nicht mich, nur den Schatten an seiner Seite. Die perfekte Gattin, die ich nie war.
»Ich muss los«, sagte sie plötzlich und war auf einmal kurzatmig.
Mark hörte mitten im Satz auf zu sprechen. Die Stille lastete zwischen ihnen. »Ich kann diese Woche nicht rüberkommen«, sagte er schließlich. »Aber vielleicht am nächsten Wochenende.«
»Ich dachte, wir bräuchten eine Beziehungspause?«
»Ich möchte dich gern sehen. Was du letztes Mal gesagt hat – darüber müssen wir reden.«
Die Ziffern auf der Pinnwand verschwammen. Rosamund schloss die Augen. »Können wir das nicht jetzt machen?«
»Ich bin mitten in einer Besprechung.«
»Natürlich.«
»Rosamund …« Was auch immer er sagen wollte, er beendete seinen Satz nicht. Sie hörte die Stimme seiner Sekretärin im Hintergrund und Marks geflüsterte Antwort.
Rosamund legte auf. Das ließ ihr zumindest die Illusion, sie hätte die Situation unter Kontrolle.
Die Dunkelheit der Nacht umhüllte sie. Rosamund wälzte sich im Bett herum, träumte von Toastern, alten Schallplatten und Scones mit Clotted Cream. Gary war auch da. Er wand eine Schnur um sie, so lange, bis sie sich nicht mehr bewegen konnte. An seinem Hemd befand sich der verschwundene Knopf. Rosamund betrachtete ihn genauer und sah nicht die Rose, sondern ein blasses Gesicht mit wachsamen Augen. Als sie aufschrie, lachte Gary nur und schlug Töpfe und Pfannen aneinander, lauter und lauter und immer lauter …
Rosamund schreckte aus dem Traum hoch und schnappte nach Luft. Der Nachhall des Topfgeklappers schien die Treppe heraufzudringen. Dann gab es einen furchtbaren Schlag, gefolgt von Geschrei. Sie sprang aus dem Bett und angelte nach ihrem Bademantel, während sie auf dem Bettvorleger stand. Vor ihrer Tür erklangen Schritte. Sie rannte hin und riss sie auf. Kerry stand auf dem Treppenabsatz und blickte hinunter in die Eingangshalle. Rosamund ging zu ihr hinüber. Das Licht war an, die Eingangstür stand offen. Ein Mann lag auf der Treppe, Arme und Beine in Garys Schnüren verheddert, begraben unter einer Lawine
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