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Der Fluch von Colonsay

Titel: Der Fluch von Colonsay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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sie wollte den Arbeitern nicht schon wieder eine Peepshow bieten. Seit jenem Morgen, an dem sie das getan hatte, war so viel geschehen.
    Das braunhaarige Mädchen. Rosamund ließ den Kopf in ihre Hände sinken. Die Augen hatten sie erschreckt. Mehr noch als die grobkörnige Qualität der Erscheinung oder das innere Leuchten, sogar mehr als die Vorstellung, dass das Trugbild eine Art Nachhall eines vor langer Zeit gestorbenen Lebewesens war. Die Augen waren von Leben erfüllt gewesen. Sie hatten nicht in die Vergangenheit geblickt, sondern direkt in Rosamunds Gesicht.
    »Sie will etwas von mir«, flüsterte Rosamund vor sich hin. »Aus irgendeinem Grund will sie etwas von mir, und ich verstehe nicht, was.«
    »Finde es heraus«, erklang Großmutter Adas Stimme streng und schrill in ihrem Kopf. Wer auch immer das braunhaarige Mädchen war und was auch immer mit ihr geschehen sein mochte, sie erschien ihr aus einem bestimmten Grund. Diesen Grund musste sie herausfinden und so das Rätsel lösen. Dann würde der Geist bestimmt verschwinden. So jedenfalls die Theorie.
    Rosamund atmete tief durch. Ja, dachte sie. Ich muss das herausbekommen. In der vergangenen Nacht, nach dem Vorfall, hatte sie sich dafür entschieden, Colonsay so schnell wie möglich zu verlassen. Aber jetzt fragte sie sich, wohin sie gehen sollte. Das alte Haus war ihr einziges Zuhause, und sie wollte es nicht verlieren. »Ich bin die letzte Cunningham auf Colonsay«, murmelte sie. »Ich habe ein Recht darauf, hierzubleiben.«
    Sie hörte Tellerklappern aus der Küche und ging die Treppe hinunter. Kerry ging ihrer üblichen Beschäftigungstherapie nach. Der Geruch von gebratenem Fleisch mischte sich mit den Frühstücksgerüchen.
    »Kaffee?«, rief Kerry Rosamund entgegen, als sie in der Tür stand. »Ich habe gerade welchen für die Jungs gemacht.«
    Rosamund nahm an, dass es sich bei den Jungs um Fred Swanns Arbeiter handeln musste, von denen die meisten die Dreißig schon überschritten hatten.
    »Ja, danke. Mach weiter, ich nehme ihn mir schon selbst und mache dann im Hinterzimmer mit dem Aussortieren weiter.«
    »Geht es dir gut?« Ihre Augen trafen sich kurz, dann beugte sich Kerry wieder über die Teigrolle, die sie mit den Händen bearbeitete.
    »Ja, es geht schon.«
    Rosamund nahm den Kaffeebecher und ging, bevor Kerry weitere Fragen stellen konnte. Sie ging den Flur hinunter und öffnete die Tür. Dort stand sie dann, nippte an ihrem Kaffee und ließ den Blick über die verbleibenden Schätze schweifen. Es war erstaunlich, was sie in der kurzen Zeit geschafft hatte. Sie wollte schnell mit der Arbeit weitermachen. Die Lösung für das Geheimnis um das braunhaarige Mädchen befand sich irgendwo in diesem Haus, dessen war sich Rosamund sicher.
    Bis zum Mittagessen sichtete Rosamund eine Menge Zeug: ein paar alte Toaster, einen Stapel Kalender aus den 1950ern, zerbrochene Kricketschläger und zerrissene Handschuhe, Zeitungen aus den 1960ern und 1970ern mit Fotos von stark geschminkten Models in kurzen Röcken, einen dreibeinigen Tisch und einen zweibeinigen Stuhl. Zu guter Letzt stieß sie auf einen Stapel Schellackplatten in zerrissenen dünnen Hüllen.
    Fasziniert nahm sie jede einzelne in die Hände und las die Etiketten. Überwiegend schottische Balladen und ein paar Märsche. Cunningham’sche Erinnerungen an die alte Heimat? Rosamund summte Loch Lomond vor sich hin. »Rosamund Cunningham singt Cunningham-Klassiker«, verkündete sie laut und lächelte. Das Lächeln verschwand jedoch so schnell, wie es gekommen war. War das alles, was vom Glanz der Cunninghams überdauert hatte? Ein paar staubige Kartons in einem Abstellraum? Was würde von ihr bleiben, nach ihrem Tod?
    »Rosamund?«
    Verdutzt blickte sie auf und sah Kerry in der Tür stehen, die unbehaglich wirkte, als erwartete sie, dem Leibhaftigen persönlich gegenüberzutreten. Ihre fleckenlose Schürze leuchtete.
    »Was gibt’s?« Rosamund stemmte sich hoch und fühlte sich benommen. Sie wollte sich mit den Händen durch die Haare fahren, ließ es dann aber bleiben, weil sie schmutzig waren.
    »Erinnerst du dich an den Elfenbeinknopf, den ich geputzt habe?« Rosamund nickte. »Gary wollte ihn sehen. Aber er ist nicht mehr da, wo ich ihn hingelegt habe. Hast du ihn vielleicht genommen?«
    Rosamund kniff die Augen zusammen. »Nein, das weißt du doch.«
    »Ich dachte nur … Ich meine, ich wollte nur …« Sie biss sich auf die Lippe und drehte sich weg. »Macht nichts, ich habe ihn wohl

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