Der Fluch von Colonsay
Sein kurzes, nichtssagendes Lächeln streifte sie kurz, dann war er hinter Kerry zur Tür hinaus. Ein Holzscheit im Feuer fiel in sich zusammen und die Funken stoben bis auf die Kaminumrandung. Rosamund wollte sie schon austreten, als sie ihre bloßen Füße bemerkte. Mark stand neben ihr.
»Sei vorsichtig«, sagte er leise. Er trat mit seinem Schuh die Flamme aus und zog dann den Schutzschirm vor das Feuer, um weiteres Unheil zu verhindern. Sein Arm streifte Rosamunds. Sie schloss die Augen. Sie wusste, dass sie zu Bett gehen sollte, ihn allein lassen sollte. Aber ihre Kraft schien sie verlassen zu haben.
»Was ist mit uns?« Seine Stimmer war ganz nah, sie konnte seinen warmen Atem spüren und den Kaffeeduft darin riechen.
»Ich weiß nicht«, flüsterte sie.
Mark küsste sie. Ihre Lippen hatten sich erwartungsvoll geöffnet, bevor sein Mund sie überhaupt erreichte. Sie wollte ihn. Er schob seine Hände unter den Bademantel, umfasste ihre Taille und zog sie eng an sich. Das hatte er immer gemocht. Es zeigte, wie gut ihre Körper miteinander harmonierten, jeder ein perfektes Negativ des anderen. Mark war nicht groß, nicht größer als Rosamund jedenfalls, aber ein Mann mit breiten Schultern und festen Muskeln. Er war in den letzten Jahren in Form geblieben, während sich Rosamund hatte gehen lassen. Jedes Jahr sackte das Gewebe ein paar Zentimeter ab, und ihr Umfang nahm zu.
»Du bist dünner geworden«, sagte er.
Überrascht lachte Rosamund auf. »Bestimmt nicht, weil ich hungere, glaub mir. Kerry kocht hervorragend und reichlich.«
»Woher kommt das dann? Körperliche Arbeit?«
»Vielleicht hast du mir gefehlt.«
Mark wurde ganz still. Seine grauen Augen wurden zu Schlitzen, schienen ihre Worte abzuwägen. Sein Griff wurde fester. »Wo ist das Schlafzimmer?«
Sie taumelten nach oben. Er warf seine Kleider über den Stuhl und zog sie aufs Bett. Die Federn quietschten beängstigend. Seine Hände unter ihrem Negligé umfassten ihre Brüste, und sein Mund presste sich auf den ihren.
Es fühlte sich vertraut und doch irgendwie fremd an. Ein Fremder in Marks Kleidung. Sie musste über diesen Gedanken lächeln, und er lächelte zurück. Seine Hand glitt zwischen ihre Beine. »Klopf, klopf?«, flüsterte er. Eine alte Angewohnheit. Ihr Lachen mündete in einen Seufzer, und er rollte sich auf seinen Rücken, zog sie auf sich, küsste sie wieder. Die Dunkelheit umhüllte sie, und Rosamund verlor ihr Gespür für Raum und Zeit. Sie löste sich auf, und dann verschwand auch Mark.
***
Alice stand im Dunklen, umgeben von den ausrangierten Habseligkeiten der Cunninghams. Auf dem Dachboden hielt sich noch die Wärme des Tages, aber es war stickig. Kein Luftzug regte sich. Die Rautenfenster blieben für gewöhnlich geschlossen. Kaum einmal verirrte sich jemand hier herauf, außer Bertie und Alice. Sie presste ihr Gesicht gegen die Scheiben und blickte über den mondbeschienenen Garten. Alles lag ruhig. Wenn Jonah dort gewesen war, hatte er sich inzwischen längst in seine Unterkunft zurückgezogen. Sogar Mrs Gibbons schlummerte in ihrem Cottage hinter der Boxdornhecke und träumte vom Varieté. Ganz Colonsay lag in tiefem Schlaf. Nur Alice war noch wach.
Es würde nicht mehr lange dauern, dachte sie, bis Bertie wieder zu Hause wäre. Im Erdgeschoss schlug die Standuhr, gedämpft und sehr weit weg. Dann herrschte wieder Stille.
***
Der Klang verhallte. Er erinnerte sie an das Schlagen einer Standuhr. Ein schwerer, dumpfer Laut. Rosamund versuchte ihre Augen zu öffnen. Es gelang ihr nicht. Der durchdringende Geruch von Geißblatt und Rosen schwebte im Raum. Weiße Rosen. Überall. Sie konnte nur ihre Finger bewegen und strich über den Saum eines Lakens. Als sie erkannte, wo sie sich befand, rang sie nach Luft. Sie wurde lebendig begraben. Sie war Ambrosine und tot und wurde begraben.
»Rose? Rose!« Die Hand schüttelte sie. Finger gruben sich schmerzhaft in ihre Schulter. Rosamund schlug die Augen auf, wusste aber für einen Augenblick nicht, wo sie sich befand.
»Mark?«
Sie war verwirrt. Wo kam Mark auf einmal her? Dann kam die Erinnerung zurück, und Erleichterung machte sich breit. Er schmiegte sich an sie, umarmte sie. Sie lagen Wange an Wange.
»Mark.«
»Ist alles in Ordnung?« Er klang seltsam. Als ob er etwas von ihrem Traum mitbekommen hätte.
»Ja. Wie spät ist es?« Sie sagte das nur, um ihn von weiteren Fragen abzuhalten. Er langte über sie hinweg, schaltete das Licht an und blickte auf die
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