Der Flug der Adler
sehen«, sagte Max.
»Nein, das werden wir nicht«, sagte West. »Ihnen ist auf Eisenhowers direkten Befehl hin Flugverbot erteilt worden. Die Lüfte werden von nun an ohne Sie auskommen müssen.«
Und Max mochte dies überhaupt nicht, ebensowenig wie Harry es gemocht hätte.
»Werde ich ihn sehen?«
»Ja, aber ich weiß nicht genau, wann. Tom Sobel wird es wohl wissen. Eisenhower ist zur Zeit in der Hayes Lodge, aber ich werde ihn morgen früh runter nach Southwick fliegen.«
»Sie fliegen ihn?« sagte Max.
»Ich gehöre noch lange nicht zum alten Eisen, und außerdem hält es mich in Form.«
In dem Moment schlängelten sich Molly und ihr Vater zwischen den Tischen durch. Max konnte diesmal wohl nichts falsch machen, denn dies mußte General Sobel sein, der da so breit lächelte. Er schüttelte Max überschwenglich die Hand.
»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was uns Ihre glückliche Rückkehr bedeutet. Ike war überglücklich.« Er bot Molly einen Platz an. »Er will Sie sehen, Harry, hat es aber heute abend nicht mehr schaffen können. Steckt bis zum Hals in Arbeit. Er hätte aber gern, daß Sie morgen um sieben in Croydon zu ihm stoßen. Er hat gesagt, daß Teddy hier den Flug übernimmt. Ich werde mitkommen, und er hätte gern, daß Sie uns begleiten.«
»Klingt gut.« Max griff nach seinem Glas. Seine Hand war zwar ruhig, seine Gedanken jedoch in wildem Aufruhr.
O Gott, so bald?
Als es dunkel wurde und der Regen aufhörte, verließ Rosa Stein schließlich die Hütte und folgte dem Pfad. Sie war noch ganz benommen, und das verrückte war, daß sie schon nach einer Viertelstunde auf einen Bauernhof stieß. Aus dem Schornstein stieg Rauch, und in der Scheune muhte das Vieh. Eine junge Frau tauchte mit zwei Milcheimern in Händen auf. Es war Marie, Jacauds Funkerin. Als sie Rosa erblickte, blieb sie stehen.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie?« rief sie auf französisch.
Rosa trat schwankend vor und brach in Tränen aus. »Helfen Sie mir, bitte helfen Sie mir«, rief sie auf deutsch.
Marie sprach kein Deutsch und auch nur ein paar Brocken Englisch, aber das war die einzige Möglichkeit der Kommunikation, denn Rosa sprach kein Französisch, dafür aber ebenso ein klein wenig gebrochenes Englisch.
»Sind Sie deutsch?« sagte Marie also auf englisch. Rosa nickte. »Woher kommen Sie? Sind Sie Jüdin?«
Rosa schü ttelte den Kopf. »Château Morlaix.« Marie stellte die Eimer ab. »SS. Meine gnädige Frau ist tot.«
Sie verfiel in ein krampfhaftes Schluchzen. Marie nahm die Eimer wieder auf. Sie deutete auf das Wohngebäude, machte in Richtung Tür kehrt, und Rosa folgte ihr.
16
Max und Molly tanzten auf dem mit Paaren dichtgedrängten Parkett. Allerdings war Max bei weitem nicht so gut darin wie sein Bruder. In gewissem Sinne half ihm die Tatsache, daß so viele Leute auf dem Parkett waren, aus der Patsche. So hatte er zumindest eine Entschuldigung für seine Ungeschicklichkeit.
Nach einem weiteren Zusammenstoß mit einem anderen Paar sagte er: »Tut mir leid. Ich schaff's heute nicht so richtig.«
»Ist schon in Ordnung. Du hast die Hölle durchgemacht, Harry.« Sie hielt ihn ganz nah. »Onkel Dougal hat mir erzählt, daß Julie etwas davon gesagt hat, daß du Tarquin verloren hast.«
»Ja, leider. Er muß nach dem Absturz mit der Lysander in die Luft gegangen sein. In den Flammen verbrannt. Ich habe nur mit Glück überlebt. Wenn die SS nicht dagewesen wäre …« Er zuckte die Achseln. »Der Teufel hat mich gerettet, Molly.«
In diesem Moment tauchte der Oberkellner am Rand der Tanzfläche auf und winkte sie herbei. »Ist doch nicht zu fassen«, sagte Molly. »Jedesmal, wenn ich mit dir hier herkomme, ist es das gleiche Spiel.« Sie löste sich von ihm, ging zum Oberkellner und sprach mit diesem, dann kehrte sie zu Max zurück. »Das gute alte Guy's, wie immer. Ohne mich kommen die wohl nicht zurecht.«
»Ich werde aufbleiben und auf dich warten«, sagte er, als sie zum Tisch zurückgingen.
»Rechne nicht damit, daß ich komme. Wenn's später als Mitternacht wird, bleibe ich im Krankenhaus.« Sie kamen am Tisch an. »Ratet mal, was jetzt schon wieder ist«, sagte Molly.
Sie verschwand in Munros Dienstwagen, und West bot den anderen an, sie in seinem Wagen nach Hause fahren zu lassen. Draußen vor dem Eingang des Savoy sagte Max: »Hören Sie, ich würde eigentlich gern noch ein paar Schritte zu Fuß gehen, Herr
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