Der Flug der Adler
Brigadegeneral. Ich weiß nicht, wie ich's sagen soll, aber ich fühle mich etwas aufgekratzt.«
»Dafür habe ich vollkommenes Verständnis, mein lieber Junge«, sagte Munro. »Machen Sie noch einen kleinen Spaziergang, genießen Sie's. Sie finden jederzeit ein Taxi. Kein Londoner Taxifahrer lehnt in diesen Tagen einen Amerikaner ab. Die zahlen mehr als nötig, verstehen Sie? General Sobel wird mir sicher nicht böse sein, wenn ich das sage.«
Sobel schüttelte Max die Hand. »Wir sehen uns morgen in Croydon.«
»Ich werde da sein.«
Sie drängten sich alle in Wests Dienstwagen, der daraufhin mit ihnen davonfuhr. Max hielt das erste vorbeikommende Taxi an. »Kennen Sie die Westbourne Grove in Bayswater?«
»Und ob ich die kenne, Chef.«
»Okay, fahren Sie mich bitte dorthin«, sagte er und stieg ein.
Auf dem Bauernhof hatte Marie den Bauern Jules kommen lassen, der zu Jacauds Gruppe gehörte. Sie erklärte ihm die Situation. Jules saß da und betrachtete die Deutsche, die mit Maries Tochter auf den Knien am Ende des Tischs saß. Der Teddybär hockte auf dem Tisch, jener Bär, den Jacaud Marie für ihre Tochter hatte mitnehmen lassen.
»Im Château muß irgend etwas Schlimmes passiert sein, aber meine Englischkenntnisse sind zu begrenzt, um mehr aus ihr herauszubekommen.«
»Jacaud spricht fließendes Deutsch«, sagte Jules.
»Ja, ich weiß, aber er ist nach Rennes gefahren, um sich dort mit Leuten der Organisation zu treffen.«
»Stimmt, aber er kommt mit dem Mitternachtszug zurück. Er hat mich gebeten, ihn um zwei Uhr am Bahnhof in Beaulieu mit dem gazogène abzuholen.«
Der gazogène war ein Lastwagen, der mit Gas betrieben wurde, das mittels eines Kohleofens im Heck des Gefährts erzeugt wurde.
Marie nickte. »In Ordnung, hol ihn ab, aber sag ihm, er soll gleich hier herkommen. Ich glaube, da ist irgend etwas im Busche.«
Max stieg in der Westbourne Grove aus dem Taxi. Er bezahlte und fand dann auf Anhieb die Seitenstraße, die zu dem fraglichen Wohnblock führte. Er blieb am Eingang stehen, sah sich die Namen an und drückte den Klingelknopf. Kurz darauf meldete sich Sarah Dixon über die Gegensprechanlage. »Ja?«
»Mrs. Dixon? Der Tag der Abrechnung ist da.«
»Kommen Sie hoch, erster Stock«, sagte sie ruhig.
Er drückte die Tür auf und ging hinein. Parry, der im Hauseingang gegenüber stand, hatte ihn zweimal erwischt, einer von achtundvierzig Leuten, die er in dieser Nacht fotografiert hatte. Er war gelangweilt, ihm war kalt, und er hatte eine miese Laune.
»Scheißami«, murmelte er leise. »Steht auf irgend 'ne Nutte. Wer's mag.«
Sarah Dixon ließ Max in ihre Wohnung ein und führte ihn in das kleine Wohnzimmer. Sie öffnete eine Zigarettendose und bot ihm eine an.
»Sie sind früher hier, als wir erwartet haben.«
»Dann ist Joel Rodrigues also auch in der Stadt?«
»O ja. Ich bin unterrichtet, wer Sie sind, Herr Baron.«
»Teilen Sie Fernando Rodrigues bitte mit, daß er so bald wie möglich eine Nachricht durchgeben soll, daß ich sicher angekommen bin. Morgen früh werde ich auf Eisenhower treffen.«
»Werden Sie ihn umbringen?«
»Das hängt von den Umständen ab. Hätten Sie was dagegen?«
»Offen gesagt, ist es mir egal. Ich habe mich bereits vor langer Zeit für Ihre Seite entschieden. Da gibt es nichts dran zu rütteln. Wo übernachten Sie?«
»Am Haston Place, in der Wohnung von Brigadegeneral Munro. Sie können mich dort nicht erreichen, ich werde also mit Ihnen Verbindung aufnehmen.«
»Na schön. Dann kann ich Ihnen nur Glück wünschen.« Sie machte ihm die Tür auf. »Gute Nacht.«
Er trat auf die Straße. »Das ging aber schnell«, sagte Parry und fotografierte Max ein weiteres Mal.
Max bog in die Westbourne Grove, machte sich in Richtung Queensway auf und hielt unterwegs ein Taxi an.
Es war beinahe drei Uhr nachts – Max schlief unruhig am Haston Place, Molly im Guy's –, als in der Bretagne der gazogène mit Jules am Steuer Jacaud zu Maries Hof brachte. Er klopfte laut an der Tür an, und sie ließ ihn rein. Er und Jules gingen in die Küche. Jules fachte das Feuer wieder an.
»Ich setze einen Kaffee auf«, sagte Marie und ging zum Herd.
»Wo ist sie?« fragte Jacaud.
»Im Bett.«
»Hol sie her. Jules kann den Kaffee machen.«
Jacaud saß am Ende des Tischs und zündete sich eine Gitane an. Tarquin saß am anderen Ende, und Jacaud blickte ihn mürrisch an.
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