Der Flug der Adler
Ordnung, den Oberbefehlshaber in der Lysander umherzufliegen ebenso, aber Eskapaden wie neulich kommen nicht mehr in Frage.«
»Wollen Sie mir damit sagen, das war's? Keine weiteren Spezialeinsätze?«
»Machen wir ihn glücklich. Mein Gott, Mann, können Sie denn niemals stillsitzen? Lassen Sie es doch einmal ruhiger angehen.«
Der Wirt kam mit dem Auflauf und Besteck herein. »So, meine Herren.«
Munro schnitt in die Kruste und probierte einen Happen. »Köstlich. Erinnert mich an Eton, als ich noch klein war.«
Harry tat es ihm sofort nach und nickte anerkennend. »Wissen Sie, in den viereinhalb Jahren, die ich nun hier bin, war das Essen in den Pubs oft das beste. Dann sitze ich jetzt also bei den Kurierflügen fest?«
»Das habe ich nicht gesagt, Harry. Sie sind sehr, sehr gut. Sie
können alles fliegen, einschließlich der meisten Luftwaffenmaschinen. Sie sind wirklich einmalig.«
»Dann wollen Sie mich also nicht von vornherein aufs Abstellgleis schieben?«
Munro füllte die Gläser auf, wobei er die Flasche ganz leerte. »Mein lieber Junge, wir haben Krieg.«
Harry war in seiner Hurricane wie ein Blitz auf die beiden Me 109 niedergegangen, aber sonst hatte der Flugleiter in Fermanville nicht die leiseste Ahnung, was passiert war. Die zweite Frequenz war nicht mitgehört worden, was bedeutete, daß Max' Unterhaltung mit Harry und später mit Zec Acland nicht aufgezeichnet worden war. Als Max zurückkehrte, war seine Version der Ereignisse äußerst simpel: Sie hatten eine Suchjagd unternommen, und seine beiden Kameraden hatten den ersten Sichtkontakt. Er hatte gesehen, wie sie abstürzten, gefolgt von der Hurricane. Die Lysander erwähnte er mit keinem Wort. Die Geschichte wurde akzeptiert. Denn wer würde schon auf die Idee kommen, den Schwarzen Baron in Frage zu stellen?
Zurück in Berlin, erfuhr er, daß Elsa auf dem Gut weilte und fuhr deshalb dorthin. Wie immer war sie außer sich vor Freude, ihn zu sehen, und veranstaltete einen Riesenwirbel.
»Mutti, jetzt sei doch bitte mal ruhig. Ich habe dir etwas zu sagen.«
Als er fertig war, saß sie völlig perplex da. »O mein Gott, Harry, welch ein Wunder.«
»Ja, er hat's unversehrt überstanden, und das ist das einzige, was zählt. Was er aber über Himmler gesagt hat … Was hältst du davon?«
»Woher er das nur weiß?«
»Da kann ich nur raten. Er hat einem anderen Flugzeug Geleitschutz gegeben, einer sogenannten Lysander, mit dem Agenten der Alliierten über Frankreich abgeworfen und wieder herausgeholt werden. Das kann nur heißen, daß er bei einem Sonderkommando ist, und damit sind wir beim Geheimdienst. Das wird wohl die Erklärung sein.«
Zum ersten Mal schien Elsa tatsächlich so etwas wie Angst zu zeigen. »Was soll ich nur tun?«
»Du mußt vorsichtig sein, Mutti, sehr, sehr vorsichtig. Treffe dich regelmäßig mit Göring, sei nett zu den anderen, und wenn der Führer auf irgendeiner Feier mit dir spricht, dann laß dir anmerken, wie hingerissen du von seiner Erhabenheit bist. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
Tränen stiegen ihr in die Augen. »Es tut mir leid, Max, so leid.«
»Ist schon in Ordnung, Mutti, wir alle machen Fehler. So einfach ist das. Wir haben das Ungeheuer miterschaffen, und jetzt droht es, uns zu verschlingen.«
Es war Nacht, als Bubi Hartmann drei Tage später in einem
Storch nach Wewelsburg reiste. Er flog selbst und landete fünfundzwanzig Kilometer außerhalb auf einem Luftwaffenstützpunkt für Nachschublinien, wo er von einem Fahrer mit einem Mercedes erwartet wurde.
Er wußte nicht, warum Himmler ihn zu sehen wünschte. Der Reichsführer hatte sich seit nunmehr einer Woche in Wewelsburg zurückgezogen. Er hatte das Schloß zu einem Zentrum aller wahren SS-Tugenden ausgebaut, mit einem runden Tisch, auf dessen zwölf Stühlen seine bewährtesten Vertrauten Platz nahmen. All dies basierte auf der Legende von König Artus und den Rittern der Tafelrunde, von der Himmler förmlich besessen war. Darüber hinaus war es ein Zentrum für Rassenkunde.
Der Mercedes näherte sic h stetig dem Schloß, dessen Türme und Mauern immer deutlicher hervortraten. Es war nicht verdunkelt; die Fenster waren erleuchtet, und an der Zugbrücke brannten Fackeln. Es wirkte wie die Kulisse für einen Historienfilm. Hartmann haßte es.
In der Eingangshalle half ihm der Feldwebel der Wache aus dem Mantel und nahm die kleine Walther in
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