Der Flug der Libelle
unten. Auf dem Weg zum Speiseraum winkte sie alle Komplimente ab. Sie wollte nur noch essen.
Zuerst goß sie in einem Zug ein großes Glas Wasser he r unter – sie mochte es mit Kohlensäure – und bat dann um noch eines.
»Fliegen macht mich durstig «, erklärte sie. Dann nahm sie ein Stück Hühnerklein, tauchte es in James ’ Geheimsoße und schob es in den Mund.
»Das war großartig, Arielle! « rief Karin. »Meinst du, daß ich es auch lernen könnte, so zu fliegen? «
»Tut mir leid «, sagte Arielle und machte sich über einen Teller mit frittierten Zucchinistangen her. Sie griff nach dem nächsten Glas Wasser. »Du bist zu groß. « Sie stopfte sich noch ein Zucchini hinein und schluckte laut. »Du wärest wie ein Flugzeug mit zuviel Ladung und zu kleinen Flügeln. «
Sie betrachtete die Reste auf den drei Tabletts. Da war noch eine kalte Zucchinistange. Sie steckte sie sich auch noch in den Mund. Selbstvergessen reckte und streckte sie sich vor dem Publikum, das sie immer noch bewunderte, und gähnte laut.
»Ich bin hundemüde. So eine Show ist Knochenarbeit. Hat ’ s euch gefallen? « Sie strahlte vor Freude, als alle ihr gleichzeitig Komplimente machten. »Jetzt gehe ich aber ins Bett «, verkündete sie. Zuerst allerdings ging sie noch zu David hinüber, der seine Konsole abschloß.
»Du hast auch geschuftet, David «, sagte sie und nahm ihm die Brille ab. Dann streichelte sie seine Stirn.
»Vielleicht solltest du auch zu Bett gehen, David «, sagte sie und schaute ihn an. Sie nahm ihn bei der Hand und füh r te ihn zur Aufzugsplattform. Gemeinsam fuhren sie nach oben. Alle unten waren sicher, daß sie nur eine Tür hörten, die auf und zugemacht wurde …
Einige Monate später wurde es Zeit, den Laserstrahl au s zuschalten . Das innere Segel war so langsam geworden, daß es fest im Schwerefeld des dunkelroten Sterns hing, wä h rend das Ringsegel mit den ausgesetzten halbintellige n ten verwaisten Drillingen Snip, Snap und Snurr im funkel n den Sternenmeer den Blicken entschwand. Die ganze Man n schaft schaute von der den Sternen zugewandten Beobac h tungskuppel zu, als es soweit war. Der blaugrüne Aquamarin blitzte noch einmal auf, dann tauchte er in Vergessenheit ein. Ein schwacher weißgelber Stern trat an seine Stelle. Sie waren bei Barnards Stern angekommen, der für den Rest ihres Lebens ihr Zuhause sein würde.
Ohne die Laserkraft mußte sich die › Prometheus ‹ mit den schwachen Photonen von Barnard begnügen. Ihr Lichtdruck hätte zwar nicht ausgereicht, um das Lichtsegel auf seinem relativistischen Vorwärtsflug zu bremsen; er konnte aber das Segel in eine Schleifenbahn lenken, die die › Prometheus ‹ an den Planeten seines Systems vorbeiführen würde.
Indem sie das Licht von Barnard zur Steigerung ihrer Bahngeschwindigkeit benutzten, konnten Jinjur und James vom Stern weg zu den äußeren Teilen des Systems fahren. Wenn sie das Segel in die andere Richtung neigten, würden sie das Tempo verringern und die › Prometheus ‹ näher auf Barnard zusinken lassen.
Durch vorsichtiges Kreuzen glückte der › Prometheus ‹ ein Rendevouz mit Gargantua. Dann ließ sie sich auf eine Flu g bahn einfangen, die sie an allen Monden seines Unters y stems vorbeiführen würde. Die acht größeren Monde von Gargantua waren schon vor dreiundfünfzig Jahren von der vorbeifliege n den Sonde entdeckt worden. Man hatte ihnen allen Namen gegeben, die mit Z anfingen. In der Reihenfo l ge ihrer Größe hießen sie: Zapotec, Zouave, Zulu, Zuni, Z i on, Zen, Zodiac und Zeus.
Die Mannschaft der › Prometheus ‹ fand nach ihrer A n kunft noch viele kleine Möndchen. Laut Plan mußten sie ebenso wie die kleineren Asteroiden im Sonnensystem b e handelt werden. Sie erhielten eine Z-Nummer , sobald ihre Bahnelemente vollständig vorlagen. Man konnte aber der Versuchung nich t w iderstehen, einige besonders intere s sante Exemplare auch Eigennamen mit Z zu geben. Daher tauc h ten bald Namen auf wie: Zinc, Zygote und sogar Zi p code [10] .
»Was ist unser erster Halt, Sam? « fragte Jinjur bei Antritt ihrer Arbeitsschicht und setzte sich auf den zentralen Ko m mandositz , den Jesús gerade freigemacht hatte.
»Das wäre Zapotec «, sagte Sam. »Außer den kleineren Monden wie Zeus ist er am weitesten draußen. Wir werden ihn bei dem nach innen verlaufenden Abschnitt unserer Bahn als ersten erreichen. Zapotec ist auch der größte Mond Gargantuas . Er ist größer als Merkur und hat eine dünne
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