Der Flug der Libelle
Feenflügel befestigt, deren Rippen aus Teilen des Weihnachtsbusches bestanden, welche durc h sichtige Plastikfolie umspannten. Ihre Füße steckten in weißglänzenden flachen Schuhen mit Merkurflügeln.
Langsam schwebte sie in kreisförmigen Bewegungen den Schacht herunter. Ihre Flügel verschwammen, als sie fla t ternd Arielle in der geringen Schwerkraft dahintrugen. In der rechten Hand hielt sie einen Zauberstab. Aus dem gr o ßen, dreidimensionalen Stern an der Spitze sprühten Fu n ken, winzige Moskito-Imps , die ihr folgten und dann erl o schen. George war von den Bewegungen des geschmeidigen, nac k ten Körpers ganz verzaubert. Es war das Hinre i ßendste, was er je gesehen hatte – sexy, aber nicht sinnlich.
Tinker Bell kam zu jedem einzelnen und berührte ihn mit ihrem Zauberstab am Kopf. Dann tanzte sie etwas in der Wohndiele und stand gleichzeitig mit dem Aussetzen der Musik auf Davids Konsole.
Die Lichter an den Zweigen, die Arielle bedeckten, gi n gen aus. Davids Bildschirm wurde dunkel. Auch das Licht der eigenen Imps wurde schwächer.
Plötzlich stand da statt der Fee eine schneeweiße Taube. Arielle war jetzt völlig in ein Federkleid aus schimmerndem Weiß gehüllt. Ihre Arme waren von Zweigen bedeckt, we l che sie in Flügel verwandelten. Der untere Teil ihrer Beine und die Füße waren zu einem Schwanz geworden. Die Ta u be flog zum Klang der mitreißenden Musik im Raum umher. Dann flatterte sie über die Köpfe der Anwesenden und den Schacht hinauf, wobei sie Salti und andere Kunststückchen vollführte.
Wie die Tümmlertauben, die ich als Kind hatte, dachte George. Der weiße Vogel schwang sich höher und höher hi n auf , während die sanfte Musik ihrem Höhepunkt zustre b te.
Wieder gingen die Lichter aus. Jetzt erklang ein langs a mes, feierliches Thema. Die untere Beobachtungskuppel wurde durchsichtig. Barnard schickte einen roten Lichtstrahl mitten durch den Aufzugsschacht nach oben. George scha u te hinauf. In dem vier Meter weiten Schacht drehte sich langsam ein Sonnenschirm, an dem ein langer, zylindrischer Körper hing, der mit winzigen Lichtern bedeckt war. Es war die › Prometheus ‹ , die bei Barnard zum Halt kam. Langsam senkte sich das rotierende Segel in dem Lichtstrahl. Die Luft im Schacht übernahm dabei die Rolle des Photonendrucks, dessen sich das echte Segel in seinem Milieu geringer Schwerkraft bediente.
Als die Miniatur › Prometheus ‹ bis zur Höhe der Decke des Raumes herabgesunken war, nahm Arielle ihre Arme heru n ter, die sie über den Kopf ausgestreckt hatte, und spreizte sie seitwärts. Dabei breitete sie auch das Segel des Weihnacht s busches weit aus. Der Busch veränderte seine Lage an ihrem Körper und verwandelte sie in eine winzige Kopie des Luft und Raumschiffs › Libelle ‹ . Es fehlten nicht einmal die Luf t schrauben für den Schwebflug und ein u m manteltes Gebläse hinter ihren Füßen, das sie vorantrieb. Zu den Klängen des Libellenthemas glitt Arielle durch die Wohndiele und den Gymnastikraum, wobei ihre langen Fl ü gel fast an die Decke oder den Boden stießen, wenn sie eine Kurve flog. Noch einmal schwebte das Miniaturflugzeug über die Köpfe, dann schraubte es sich langsam im Schacht empor.
Kein Wunder, daß sie eine so phantastische Pilotin ist, dachte George. Sie › fliegt ‹ nicht, sondern sie › ist ‹ ein Flu g zeug.
Die langsam spiralig ansteigende Musik wurde jetzt leiser und hörte schließlich ganz auf. Die Lichter gingen wieder an. Erst herrschte langes Schweigen. Dann brauste Beifall hoch. David stand an der Konsole auf, verbeugte sich einmal und wartete geduldig, bis der Applaus abflaute. Es gab Rufe wie »Zugabe! « und »Arielle! «. Aber David gab ihnen ein Zeichen, ruhig zu sein.
»Wir haben vor der Show beschlossen, daß es keinerlei Zugaben geben würde «, sagte David. »Das würde den Za u ber des Augenblicks zerstören. Außerdem ist trotz der U n terstützung durch den Weihnachtsbusch die Fliegerei sehr anstrengend . Arielle könnte keine Zugabe geben. Sie zieht sich jetzt in ihrem Zimmer um. Ich bin sicher, daß sie bald herunterkommen wird, um etwas zu essen. «
Aus dem Speisesaal kam Klappern. Die Kombüsen-Imps waren zurückgekehrt und stellten drei große Tabletts mit Esse n h in. Man hörte, wie sich eine Tür öffnete. Aus dem Lichtschacht ertönte eine Stimme.
»Hm! Das riecht herrlich! «
Arielle trug jetzt einen viel zu großen, formlosen Tra i ningsanzug und glitt an der Schachtleiter nach
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