Der Flug der Libelle

Gehirnen.
    »Glaubst du, daß wir eine Probe von einem davon b e kommen könnten? « fragte sie Jill. »Ich möchte wirklich gern herausfinden, woraus sie bestehen. Ich werde meinen Anzug anlegen und aus der Schleuse schlüpfen, während du sie reden läßt. «
    »Ich möchte davon abraten «, sagte Jill. »Diese Biester wiegen mindestens zehn Tonnen und sind intelligent. Selbst wenn Sie eine Probe erwischen könnten, bin ich nicht sicher, ob Sie es überleben würden, diese zurückz u bringen. «
    »Dann bitte sie um eine Probe! « sagte Karin. Sie war sich sicher, daß ihre Bitte erfüllt werden würde. »Sage i h nen, daß es für meine Forschungen von vitalem Interesse ist! «
    Jill wollte protestieren, aber Karin war schon während des Gesprächs zu dem Anzugfach zurückgegangen und begann sich anzuziehen. Ihr Imp mußte dauernd umherkrabbeln, um ihr nicht ins Gehege zu kommen.
    Jill brauchte ein paar Minuten, um dem Weißen Pfeifer die Absicht klarzumachen. Aber das Fremdwesen stimmte bereitwillig zu, wie Karin es erwartet hatte. Karin schleuste sich aus mit einem Probenbehälter, einer Schere und einer Injektionsspritze. Als sie an den Fremden herankam, wurde ihr erst klar, wie groß diese Kreaturen wirklich waren. Die Tatsache, daß es keine Augen gab, auf die sie ihre Aufmer k samkeit richten konnte, gehörte zu den unbequemsten Aspekten bei der Begegnung mit dem quallenartigen W e sen. Aber Karin konnte die vielen Kling und Pfeiftöne, die durch ihren Körper drangen, hören, als aus dem Weißen Pfeifer lange, dicke Anhängsel herauswuchsen und sie von fast a l len Seiten umgaben. Jedes davon äußerte Laute, wä h rend es sie gründlich sondierte. Eines der dicken Anhängsel wurde zu einem biegsamen Finger, der über die Probenfl a schen und Geräte wanderte, während ein anderer sie vol l ständig abtastete. Jill hielt eine ständige Unterhaltung mit dem Fremdwesen in Gang, während jedes Stück gemustert wurde und zu ihrem gemeinsamen Vokabular viele neue Wörter hinzukamen. Von seiner Inspektion befriedigt, zog sich das Wesen etwas zurück; und aus dem Imp auf Karins Schulter kam eine fremdartige Stimme, als Jill übersetzte.
    ◊Wozu dienen › Scheren ‹ und › Spritzen ‹ ?◊
    »Die Scheren schneiden …« Karin hielt die Schere hoch und ließ sie schnell zuschnappen. Dann schnitt sie vorsichtig ein kleines Stück von dem ausgefransten Ende ihrer Siche r heitsleine ab. Jill übersetzte, und das gemeinsame Vokabular war um ein weiteres Wort bereichert. Das Wesen streckte eine n m ilchweißen Fühler aus und zog das abgeschnittene Seilstück in seinen Körper, kostete es eine Sekunde lang und spie es aus.
    »Die Spritze saugt …« Karin bewegte den Kolben und hielt die Spritze dicht an ein in der Nähe befindliches A n hängsel, so daß der Fremde den Strom Meereswasser spüren konnte, der aus der Spritze der großen Nadel kam. Ehe sie einhalten konnte, drückte sich der Fortsatz selbst auf die Nadel, und die Spritze war zur Hälfte von einer milchigwe i ßen Flüssigkeit erfüllt.
    » Oh ! Es tut mir leid! Das wollte ich erst tun, wenn du b e reit wärest. Bist du verletzt? « fragte Karin.
    ◊Spritze … saugt◊, sagte eine ruhige Stimme durch ihren Imp. Karin fühlte, daß ein Anhängsel ihre Hand umspannte und dann fester zufaßte. Sanft, aber mit großer Kraft, wu r den ihre Finger von der Spritze gelöst. Ein Teil des Fortsa t zes bildete sich zu einer r oh en Hand um, die das Ende der Spritze, mit dem sie bedient wurde, packte. Der Kolben wurde heruntergedrückt, und die milchweiße Flüssigkeit wieder in den Fremden zurückgestoßen. Karin sah zu. Sie war noch über ihr Versehen erschrocken; aber der Schreck wurde zu Übelkeit, als das Wesen sich wieder die Spritze schnappte und immer wieder in seinen Körper stieß, um ein bißchen von seinem Inneren aufzusaugen und dann wieder auszuspritzen. Bald hatte es das Spielzeug satt und gab die Spritze an Karin zurück.
    ◊Spritze … saugt. ◊
    Karin sah, daß die Spritze leer war. Sie war hartnäckig.
    »Könnte ich, bitte, eine Probe haben? « fragte sie und ric h tete die Spritze auf die walfischgroße Kreatur. Es gab eine Pause, während Jill übersetzte.
    ◊ Ja◊, kam die Antwort. ◊Du brauchst nicht zu schneiden oder zu saugen. ◊ Das Wesen streckte einen Fühler gegen sie aus. Karin sah, wie sich ein etwa drei Zentimeter langes Stück von dem Ende abschnürte und lostrennte, so daß ein milchiges Würstchen im Wasser schwebte.