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Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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uns zu Kopf, während wir dieses schreckliche Krematorium mit menschlichen Leibern bestückten. Dank meiner gefühllosen Hände hatte ich keine Schwierigkeiten, ins Feuer zu greifen und brennende Körperteile, die herausfielen, in die Flammen zurückzuwerfen. Mein Geist war abwesend, ich handelte rein mechanisch. Der schwere Rauch zog durch die offenen Luken in den Innenhof. Es war uns klar, daß diese übelriechenden schwarzen Dämpfe die Dienerschaft anlocken und die Bewohner des Viertels aufwecken mußten, und wir verließen uns darauf, daß sie herbeieilen würden, um das Feuer zu löschen und die Schäden festzustellen. Vage dachte ich an den Brand der Klinik, dem der kleine Milan trotz seiner gelähmten Beine entronnen war; ich dachte an Bangui und daran, daß meine Mutter mir die Hände verbrannt hatte, um mir das Leben zu retten, und ich dachte, daß wir beide, Djuric und ich, Kinder des Feuers seien. Und hier verbrannten wir unsere letzte Verbindung mit unseren teuflischen Ursprüngen.
    Gleich danach liehen wir uns in einer Garage einen Lieferwagen und luden die Leichen von Marie-Anne und Frederic Senicier auf. Ich setzte mich ans Steuer, Djuric lotste mich durch die Gassen von Kalkutta. Es dauerte nicht lang, bis wir in Kali Ghat waren. Eine enge, endlose Straße durchquerte das Viertel, führte über die kleinen Zuflüsse zum Ganges und vorbei an grünlichen Altwassern. Bordelle wechselten mit Steinmetzwerkstätten für Devotionalien. Alles schien zu schlafen.
    Ich starrte auf den gleichmäßig grauen Himmel, der zwischen Dächern und wirren Stromkabeln hindurchschien, und fuhr wie in Trance. Auf einmal hielt Djuric mich an. »Hier ist es«, sagte er und zeigte auf eine steinerne Festung. Über der Umfassungsmauer ragten mehrere Türme auf, die aussahen wie aus Zuckerguß, geschmückt mit Ornamenten und Skulpturen. Ich ließ Djuric aussteigen und parkte den Wagen. Gemeinsam betraten wir einen weiten Innenhof, der mit kurzgeschnittenem Gras bewachsen war.
    Überall brannten Holzstöße, um die skelettartige Männer saßen; sie schürten das Feuer und hielten mit einem langen Stock die Glut zusammen. Die Flammen züngelten bläulich, und dicke schwarze Rauchwolken wälzten sich durch den Hof. Verbranntes Fleisch - ich erkannte den Geruch, der mir schon so vertraut war, und ich sah eine Hand aus einem der Scheiterhaufen fallen. Ohne mit der Wimper zu zucken, stand ein Mann auf, ergriff den menschlichen Überrest und warf ihn in die Flammen zurück. Genau, wie ich selbst es getan hatte, vor nicht einmal einer Stunde. Ich blickte hinauf zum Himmel, zu den steinernen Türmen, die in den grauen Morgen ragten, und mir wurde bewußt, daß ich kein einziges Gebet kannte.
    Hinten im Hof sprach Djuric mit einem alten Mann; er sprach Bengali mit ihm. Dann drückte er ihm ein dickes Bündel Rupien in die Hand und kam zu mir zurück. Ich staunte immer mehr über die Fähigkeiten und das Wissen dieses Mannes.
    »Ein Brahmane wird kommen«, sagte er. »In einer Stunde findet die Zeremonie statt. Die Asche wird in den Fluß gestreut. Es geschieht alles so wie bei den Indern selbst, Louis. Besser können wir’s nicht machen.«
    Ich nickte stumm. Ich sah den beiden Bengalen zu, die damit beschäftigt waren, einen großen Holzstoß zu entfachen, auf dem eine Leiche lag, in ein weißes Tuch gewickelt. Djuric folgte meinem Blick und murmelte: »Das sind Dom, eine der untersten Kasten in der indischen Hierarchie. Sie sind die einzigen, denen es erlaubt ist, mit Toten zu tun zu haben. Vor Tausenden von Jahren waren sie Sänger und Gaukler. Es sind die Ahnen der Roma. Meine Ahnen.«
    Wir trugen den Kopf und den Körper von Marie-Anne Senicier und Frederics Leiche, beide in weiße Operationstücher gehüllt, in den Hof. Niemand hätte sagen können, daß es die Leichen von Europäern waren. Wieder wandte sich Djuric an den alten Mann - diesmal mit lauter Stimme, und er drohte ihm mit der Faust. Ich begriff nichts. Gleich danach verließen wir den Hof, aber bevor wir in den Wagen stiegen, schrie Djuric dem Greis noch etwas zu, der mit furchtsamer und haßerfüllter Miene nickte. Unterwegs erklärte Djuric sein Verhalten.
    »Die Dom sparen normalerweise mit dem Holz und werfen die halbverbrannten Leichen in den Fluß als Fraß für die Geier, um das nicht verwendete Holz weiterzuverkaufen. Im Fall von Marie-Anne und Frederic wollte ich das verhindern.«
    Ich starrte immer noch stumm auf die Straße vor mir. Tränen rannen mir übers

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