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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Noch eine Beerdigung, diesmal mit Flagge: ein Pilot, der mit seiner F-16 über Haiphong zu stark unter Beschuss geraten war und es trotzdem noch bis zum Flugzeugträger Oriskany im Golf von Tonkin geschafft hatte, beim Landeanflug aber nicht mehr über genug Sprit verfügt hatte und im aufgewühlten, warmen Wasser gestorbenwar, bevor die Rettungskräfte ihn erreichen konnten. Die Familie hatte einen gefassten Eindruck gemacht, dachte Jeffers; es hatte wenig Tränen gegeben. Er hatte sie mit einer 1/15 Sekunde und Blende 22 in dem Moment festgehalten, als sie wie Soldaten in einer Reihe aufgestellt ins Grab hinabstarrten, und dann den Abzug eine Weile im Entwicklerbad liegen gelassen, um die graue Tönung des Himmels zu verstärken. Ihm kam der leichenstarre Junkie in den Sinn, der in einer eisigen Februarnacht die einzige Wärme in einer Nadel gefunden hatte und einfach erfroren war. Man hatte ihn im Hafengebiet gefunden; sein Schnappschuss hatte mit einer fünfhundertstel Sekunde und Blende 5,6 das Licht des Cuyahoga River eingefangen, das sich in der eisüberzogenen Welt spiegelte. Doch immer, wenn er an Cleveland dachte, erinnerte er sich vor allem an das Mädchen.
    Er hatte in der Dunkelkammer gearbeitet. In der Ecke plärrte ein kleines Transistorradio, das er sich von seinem ersten Lohnscheck gekauft hatte, und erfüllte den Raum mit den herben Texten von The Doors. Jedes Mal, wenn er das Radio einschaltete, drang »Light My Fire« heraus. An zwei mörderisch heißen Sommertagen hatte er einen der letzten Streifenpolizisten der Stadt, der seinen Dienst zu Fuß versah, auf seinem frühmorgendlichen Rundgang begleitet. Dabei waren Fotos herausgekommen, die er zu routinemäßig, zu glatt fand. Der Polizist war umgänglich und beliebt. Überall, wo er auftauchte, wurde er begrüßt, gelobt und willkommen geheißen. Jeffers hatte über die Bilder die Nase gerümpft. Wo war der besondere Pfiff? Die Spannung? Er wünschte, dass jemand auf den Polizisten schoss. Er betete darum und beschloss, einen weiteren Tag auf der Straße zu verbringen. In die Musik, die Dunkelheit und seine Pläne vertieft, hatte er zunächst überhört, wie der Bildredakteur nach ihm brüllte.
    »Jeffers, du fauler Hund, schaff deinen Hintern da raus!«
    Er hatte seine Utensilien behutsam und betont langsam beiseite gelegt. Jim Morrison sang gerade: »I know that it would be untrue …« Der Bildredakteur kannte, wie er rasch begriffen hatte, nur zwei Gemütszustände – Langeweile und Panik.
    »Was ist?«, hatte er gefragt, während er aus seiner Kammer trat.
    »Eine Leiche, Jeffers, vollkommen kalt, mitten in den Heights. Ein hübsches weißes Mädchen in einem reichen Wohnviertel verdammt tot. Na, mach schon, hau ab. Melde dich am Fundort bei Buchanan. Also, was ist, willst du Wurzeln schlagen?«
    Er war, seltsam nervös, um die polizeilich abgesperrte Zone geschlichen, abseits von der Traube der übrigen Zeitungs- und Fernsehreporter sowie Kameraleute, die witzelnd auf jemanden warteten, von dem sie mehr erfahren würden. Sie gaben sich damit zufrieden, von einem Polizeisprecher
en gros
abgefertigt zu werden. Wie komme ich an das entscheidende Foto, hatte er sich gefragt. So war er unter der Nachmittagssonne hin und her geirrt und schließlich in der Hoffnung auf freie Sicht unbemerkt auf einen großen Baum geklettert. Wie ein Scharfschütze hatte er sich auf einen Ast gelegt und ein Teleobjektiv aufgeschraubt, durch das er zu den Polizisten hinunterblickte, die mit penibler Sorgfalt rund um die Leiche des Mädchens ihrer Arbeit nachgingen. Beim ersten Anblick eines nackten Beins, das der Mörder achtlos zur Seite geworfen hatte, schluckte er schwer. Jeffers hatte angestrengt hinuntergestarrt, um sich nichts entgehen zu lassen, hatte sich das Opfer mit Tele so nah wie möglich herangeholt und seinen Film verschossen. Er wollte unbedingt ihre Brüste sehen, ihr Haar, ihre Scham; er justierte Winkel und Fokus und feuerte wiemit einer Waffe drauflos, wobei er die Kamera drehte und wendete, ihr schmeichelte, bis sie ihn der Leiche ganz nahe brachte. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, drückte unablässig auf den Auslöser und fluchte, wenn ihm ein Polizist den Blick verstellte. Kaum hatte er wieder freie Sicht, spulte der Film leise sirrend weiter.
    Diese Fotos hatte er für sich behalten.
    Die Zeitung hatte drei andere gebracht: eins, das zeigte, wie die Feuerwehrleute das Opfer im Leichensack auf einer Trage wegschafften; dann eine

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