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Der Frauenkrieg (German Edition)

Der Frauenkrieg (German Edition)

Titel: Der Frauenkrieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas (der Ältere)
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Brief verlieh ihm, einem Talisman ähnlich, die Kraft, sich zu entfernen.
    Der Tag war grausam. Die so bestimmte Drohung: »Morgen wird die Insel Saint-George genommen sein,« toste unablässig in Canolles' Ohren. Wie? Durch welches Mittel? Welche Gewißheit hatte die Vicomtesse, um so zu ihm zu sprechen? Würde er zu Wasser, würde er zu Lande angegriffen werden? Von welchem Punkte aus sollte dieses unsichtbare und doch gewisse Unglück über ihn hereinbrechen? Es war, um verrückt zu werden.
    Den ganzen Tag spähte er nach allen Richtungen, konnte aber nichts entdecken; und als es völlig Nacht geworden war, erleuchtete sich ein Flügel des Schlosses Cambes; es war das erste Mal, daß Canolles daselbst Licht erblickte, seitdem er sich auf der Insel Saint-George befand.
    »Ah!« sagte er, »Nanons Retter sind an ihrem Posten.«
    Und ein tiefer Seufzer entstieg seiner Brust.
    Welch ein seltsames, geheimnisvolles Rätsel umschließt das menschliche Herz! Canolles liebte Nanon nicht mehr, Canolles betete Frau von Cambes an, und dennoch fühlte er seine Seele in dem Augenblick brechen, wo er sich von der, die er nicht mehr liebte, trennen sollte; nur fern von ihr und wenn er sie zu verlassen im Begriffe war, fühlte er die wahre Kraft der sonderbaren Zuneigung, die er für dieses reizende Geschöpf hegte.
    Die ganze Garnison war auf den Wällen, um zu wachen. Des Spähens müde, befragte Canolles die nächtliche Stille. Nie war eine Finsternis stummer gewesen, kein Geräusch störte diese Ruhe, welche die einer Wüste zu sein schien.
    Plötzlich kam Canolles der Gedanke, der Feind dringe vielleicht durch den von ihm durchforschten unterirdischen Gang in das Fort. Es war dies nicht sehr wahrscheinlich, denn in diesem Falle wurde man ihn nicht zum voraus darauf aufmerksam gemacht haben; nichtsdestoweniger beschloß er, diesen Gang zu bewachen. Er ließ ein Pulverfaß mit einer Lunte bereithalten, wählte den Tapfersten von seinen Sergeanten, wälzte das Faß auf die letzte Stufe des unterirdischen Gewölbes, zündete eine Fackel an und gab sie dem Sergeanten in die Hand. Zwei Soldaten standen in seiner Nähe.
    »Wenn sich mehr als sechs Menschen in diesem Gange zeigen,« sagte er zu dem Sergeanten, »so fordere sie zuerst auf, sich zurückzuziehen; weigern sie sich, so zünde die Lunte an und wälze das Faß fort; da der Gang abhängig ist, so wird es mitten unter ihnen zerspringen,«
    Der Sergeant nahm die Fackel; die beiden Soldaten blieben, von dein rötlichen Schimmer beleuchtet, hinter ihm stehen, während zu ihren Füßen das Pulverfaß lag.
    Canolles stieg, wenigstens von dieser Seite beruhigt, wieder hinauf; aber als er in sein Zimmer zurückkehren wollte, erblickte er Nanon, die ihm, da sie ihn hatte vom Walle herabsteigen und in seine Wohnung gehen sehen, gefolgt war. Erschrocken schaute sie die gähnende Öffnung an.
    »Ah! mein Gott,« fragte sie, »was bedeutet diese Tür?« – »Es ist die des Ganges, durch den du fliehen sollst, teure Nanon.«
    »Du hast mir versprochen, ich würde dich, nur im Falle eines Angriffs zu verlassen haben.«
    »Und ich verspreche es dir abermals.«
    »Alles scheint ruhig um die Insel her, mein Freund.«
    »Auch innerhalb des Forts scheint alles ruhig, nicht wahr? Dennoch sind zwanzig Schritte von uns ein Pulverfaß, ein Mann und eine Fackel. Nähert der Mann die Fackel dem Pulverfaß, so bleibt in einer Sekunde in diesem ganzen Schloß kein Stein mehr auf dem andern. So ist alles ruhig, Nanon!«
    Die junge Frau erbleichte.
    »Ah! Ihr macht mich beben,« rief sie.
    »Nanon,« sagte Canolles, »ruft Eure Frauen, und Euern Kammerdiener, daß sie Eueren Schmuck und Euer Gold hierher bringen. Vielleicht habe ich mich getäuscht, vielleicht wird diese Nacht nichts vorfallen; aber gleichviel, wir wollen uns bereit halten.«
    »Wer da?« rief die Stimme des Sergeanten in dem unterirdischen Gewölbe.
    Eine andere Stimme antwortete, aber ohne einen feindlichen Ton.
    »Hört,« sagte Canolles, »man kommt, um Euch zu holen.«
    »Man greift noch nicht an, mein Freund, alles ist ruhig;, laßt mich bei Euch bleiben, sie werden nicht kommen.«
    Als Nanon diese Worte vollendete, erscholl der Ruf: »Wer da?« dreimal in dem innern Hof, und das dritte Mal folgte darauf der Knall einer Muskete.
    Canolles eilte an das Fenster und öffnete es.
    »Zu den Waffen!« rief die Schildwache, »zu den Waffen!«
    Canolles sah in einer Ecke eine schwarze, bewegliche Masse; es war ein Feind, der aus einer

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