Der Frauenkrieg
als sei er nur Zuschauer gewesen, und wurde, immer unempfindlich und stumm, noch während der Sitzung dem Generalprofoß übergeben.
Der Herzog von Evernon begab sich zur Königin; er fand sie in vortrefflicher Laune und wurde von ihr zur Tafel geladen. Der Herzog, der sich in Ungnade glaubte, nahm die Einladung an und ging zu Nanon, um ihr von dem guten Stande der Dinge Mitteilung zu machen.
Er erzählte ihr, daß die Ernennung zum Kommandanten von Vayres mittels des ihm damals von dem Angeber erpreßten Blanketts erfolgt sei, daß man aber den Schuldigen nun in Händen habe.
»Und dieser Mensch,« fragte die erschreckte Nanon mit zitternder Stimme, »was habt Ihr mit ihm gemacht?«
»Ah! wahrhaftig,« antwortete der Herzog, »Ihr sollt selbst sehen, was wir mit ihm gemacht haben; ja,« fügte er aufstehend hinzu, »das macht sich vortrefflich, hebt diesen Vorhang auf, oder öffnet nur das Fenster; es ist ein Feind des Königs, und den kann man wohl hängen sehen.«
»Hängen!« rief Nanon, »was sagt Ihr, Herr Herzog? hängen will man, ihn?«
»Ja, meine Schöne. Seht Ihr unter der Halle an jenem Balken den baumelnden Strick, seht Ihr das Volk herbeilaufen? Bemerkt Ihr die Füsiliere, die den Mann bringen, dort unten, links? Seht, der König stellt sich an sein Fenster.«
Nanons Herz hob sich in ihrer Brust und schien bis in ihre Kehle emporzusteigen; sie hatte jedoch mit einem raschen Blicke gesehen, daß der Mann, den man herbeiführte, nicht, wie sie bisher gefürchtet hatte, Cauvignac war.
»Gut, gut,« sagte der Herzog, »Herr Richon wird kurzweg gehängt, das wird den Burschen die Frauen verleumden lehren.«
»Aber,« rief Nanon, den Herzog bei der Hand ergreifend und alle ihre Kräfte zusammenraffend, »aber dieser Unglückliche ist nicht schuldig; er ist vielleicht ein tapferer Soldat; er ist am Ende ein ehrlicher Mann; Ihr laßt einen Unschuldigen ermorden.«
»Nein, nein, Ihr täuscht Euch sehr, meine, Liebe; er ist Fälscher und Verleumder. Überdies, wäre er auch rechtmäßig Gouverneur von Vayres, so bliebe er immerhin Hochverräter: und das genügte, ihm den Hals zu kosten.«
»Ah, mein Gott! mein Gott! Irgend etwas sagt mir, daß dieser Mann unschuldig ist,« rief Nanon, »und daß sein Tod allen Unglück bringen wird. Oh! Herr, in des Himmels Namen, gewährt mir die Begnadigung dieses Mannes.«
»Unmöglich, meine Teure, die Königin selbst hat ihn verurteilt, und da habe ich keine Gewalt mehr.«
Nanon stieß einen Seufzer aus, der einem Ächzen glich.
In diesem Augenblick war Richon unter der Halle angelangt; man führte ihn, der immer ruhig und schweigsam blieb, bis zu dem Balken, von dem der Strick herabhing; eine Leiter war zum voraus aufgerichtet und harrte seiner. Richon stieg diese Leiter mit festem Tritte hinauf und beherrschte mit seinem majestätischen Haupte die Menge, auf die sich sein mit kalter Verachtung bewaffneter Blick heftete. Der Profoß schlang ihm nun den Knoten um den Hals, und der Ausrufer erklärte mit lauter Stimme, der König lasse dem Sieur Etienne Richon, Fälscher, Verräter und Bauern, sein Recht widerfahren.
»Wir leben in einer Zeit,« sagte Richon, »wo es besser ist, ein Bauer zu sein, wie ich, als Marschall von Frankreich zu heißen.«
Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als die Leiter unter ihm weggezogen wurde und sein Körper an dem unseligen Balken hin und her schwankte.
Eine allgemeine Bewegung des Schreckens zerstreute die Menge, ohne daß ein einziger Ruf: »Es lebe der König!« sich hörbar machte, obgleich jeder die Majestäten noch an ihrem Fenster sehen konnte.
»Nun,« sagte der Herzog, »ich glaube, diese Hinrichtung wird als gutes Beispiel dienen, und ich bin neugierig, was die Bordolesen tun werden, wenn sie erfahren, daß man ihre Gouverneure hängt.«
Bei diesen Worten brach Nanon bei dem Gedanken an das, was die Bordolesen tun könnten, ohnmächtig zusammen.
Fünfzehntes Kapitel
In dem Augenblick, wo in Libourne das soeben von uns erzählte furchtbare Drama stattfand, schrieb Frau von Cambes an Canolles:
»Abermals eine Verzögerung, mein Freund. In der Minute, wo ich Euern Namen der Frau Prinzessin nennen und sie um ihre Einwilligung zu unserer Verbindung bitten wollte, kam die Nachricht von der Einnahme von Bayres, welche die Worte auf meinen Lippen in Eis verwandelte; aber ich weiß, was Ihr leiden müßt, und besitze nicht die Kraft, zugleich Euren Schmerz und den meinigen zu ertragen. Wir dürfen unser
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