Der Frauenkrieg
fassen, denn wir dürfen uns unsere Lage nicht verbergen. Wir sind nur scheinbar frei, die Königin hat ihre Augen auf uns gerichtet, und Herr von Saint-Aignan belagert uns. Wir müssen darauf bedacht sein, Chantilly trotz der Wachsamkeit der Königin und der Belagerung durch Herrn von Saint-Aignan zu verlassen.«
»Verlassen wir Chantilly, aber mit erhobenen Köpfen,« rief die Prinzessin.
»Ich bin auch dieser Ansicht,« sagte die Prinzessin-Witwe, »die Condé sind keine Spanier und verraten nicht; sie sind keine Italiener und schmieden keine Ränke; was sie tun, tun sie am lichten Tag und mit erhabener Stirn.«
»Madame,« erwiderte Lenet im Tone innerer Sicherheit, »Gott ist mein Zeuge, daß ich der erste bin, der die Befehle Eurer Hoheit vollzieht, wie sie auch lauten mögen; aber um Chantilly zu verlassen, wie Ihr dies tun wollt, müssen wir eine Schlacht liefern. Ohne Zweifel ist es nicht Eure Absicht am Tage des Kampfes Weiber zu sein, nachdem Ihr im Rate Männer gewesen seid; Ihr werdet an der Spitze Eurer Parteigänger marschieren, Ihr werdet Euren Soldaten das Kriegsgeschrei hinwerfen; aber Ihr vergeßt, daß neben Eurem kostbaren Dasein eine nicht minder kostbare Existenz zu tagen beginnt, die des Herrn Herzogs von Enghien, Eures Sohnes und Enkels; werdet Ihr Euch der Gefahr aussetzen, in demselben Grabe die Gegenwart und die Zukunft Eures Hauses zu begraben? Glaubt Ihr, Mazarin werde den Vater nicht als Geisel nehmen während der verwegenen Taten, die man im Namen des Sohnes ausführt? Kennt Ihr die Geheimnisse des Turmes von Vincennes nicht mehr, die auf eine so unselige Weise von dem Großprior von Vendomê, von dem Marschall von Ornano und von Puy-Laurent ergründet worden sind? Habt Ihr das unheilvolle Zimmer vergessen, das, nach dem Ausspruch der Frau von Rambouillet, wie Arsenik in das Gewicht fällt? Nein, meine Damen,« fuhr Lenet, die Hände faltend, fort, »nein, Ihr werdet Chantilly verlassen, wie es Frauen geziemt, die man verfolgt; erinnert Euch, daß Eure sicherste Wache die Schwäche ist. Ein Kind, das man seines Vaters, eine Frau, die man ihres Gatten beraubt, eine Mutter, der man ihren Sohn nimmt, entziehen sich, so gut sie können, der Falle, worin man sie festhielt. Wartet, um zu handeln und laut zu sprechen, bis Ihr dem Stärkeren nicht mehr als Bürgschaft dient; seid Ihr Gefangene, so werden Eure Parteigänger stumm bleiben; seid Ihr aber frei, so werden sie sich erklären, denn sie haben nicht mehr zu befürchten, daß man ihnen die Bedingungen Eurer Loskaufung diktiert. Unser Plan ist mit Gourville besprochen. Wir sind eines guten Geleites sicher, das uns erlaubt, die Beleidigungen auf dem Wege zu vermeiden, denn es stehen heute zwanzig verschiedene Parteien im Felde und erheben sich gegen Freund und Feind. Willigt ein; alles ist bereit.«
Während die junge Herzogin diesen Plan empört von sich wies, sagte die Witwe nach einem Augenblick des Zögerns: »Lieber Herr Lenet, überredet meine Tochter, denn ich meinesteils bin genötigt, hier zu bleiben. Ich habe bis jetzt gekämpft, aber endlich unterliege ich; der verzehrende Kummer, den ich umsonst zu verbergen suche, um meine Umgebung nicht zu entmutigen, wird mich an ein Schmerzenslager fesseln, das vielleicht mein Sterbebett sein wird. Doch Ihr habt recht, man muß vor allem auf Sicherung des Wohles der Condé bedacht sein. Meine Schwiegertochter und mein Enkel werden Chantilly verlassen und, wie ich hoffe, vernünftig genug sein, Eure Ratschläge, ich sage noch mehr, Eure Befehle, zu befolgen. Befehlt, Lenet, man wird vollziehen.«
»Ihr erbleicht, Madame!« rief Lenet, die Witwe unterstützend, welche die Prinzessin, von der plötzlichen Blässe beunruhigt, bereits in die Arme genommen hatte.
»Ja,« sagte die Witwe immer schwächer werdend, »ja, die guten Nachrichten von heute haben mir mehr wehegetan, als die Bangigkeiten der letzten Tage. Ich fühle, daß das Fieber mich verzehrt; aber lassen wir nichts davon laut werden, es könnte uns in einem solchen Augenblick schaden.«
»Madame,« sagte Lenet mit leiser Stimme, »die Unpäßlichkeit Eurer Hoheit wäre eine Wohltat des Himmels, wenn Eure Person nicht litte. Bleibt im Bette, verbreitet das Gerücht von dieser Krankheit. Ihr, Madame,« fuhr er, sich an die junge Prinzessin wendend, fort, »laßt Euern Arzt Bourdelot rufen, und da wir bald die Ställe und Equipagen werden in Anspruch nehmen müssen, laßt überall verlauten, es sei Eure Absicht, im Park einen
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