Der Frauenkrieg
hat.«
»Madame, vor allem bin ich verrückt. Mein Gott! Ihr habt es wohl gesehen, denn nur ein Verrückter konnte tun, was ich getan habe. Übt also Mitleid mit meiner Verrücktheit, Madame, schickt mich nicht fort, ich flehe Euch an!«
»Dann werde ich den Platz verlassen, mein Herr. Ich werde Euch wider Euern Willen zu Euern Pflichten zurückbringen. Wir wollen sehen, ob Ihr mich mit Gewalt zurückhaltet, ob Ihr uns dem üblen Gerede der Welt preisgeben wollt. Nein, nein, mein Herr!« fuhr die Vicomtesse mit einem Tone fort, den Canolles zum ersten Male hörte, »nein, Ihr werdet bedenken, daß Ihr nicht ewig in Chantilly bleiben könnt; Ihr werdet bedenken, daß man Euch anderswo erwartet.«
Dieses Wort, das wie ein Blitz die Augen Canolles' erleuchtete, erinnerte ihn an die Szene im Wirtshause von Biscarros, an die Kenntnis, die Frau von Cambes von der Liebschaft des jungen Mannes hatte, und alles war ihm klar. Ihre Schlaflosigkeit war nicht durch die Angst vor der Gegenwart, sondern durch die Erinnerung an die Vergangenheit veranlaßt worden. Der Entschluß am Morgen, Canolles zu meiden, war nicht das Resultat der Überlegung, sondern der Ausdruck der Eifersucht.
Es trat nun zwischen beiden ein kurzes Stillschweigen ein; jedes horchte auf das Wort seines eigenen Geistes, der in seiner Brust mit den Schlägen seines Herzens sprach.
»Eifersüchtig!« sagte Canolles zu sich selbst, »eifersüchtig! Oh! nun begreife ich alles. Ja, ja! sie will sich versichern, daß ich sie hinreichend liebe, um ihr jede andere Liebe zu opfern! Es ist eine Probe!«
Frau von Cambes aber sprach zu sich selbst: »Ich bin für Herrn von Canolles eine Zerstreuung; er hat mich auf seinem Wege in dem Augenblick getroffen, wo er die Guienne zu verlassen genötigt war, und folgte mir, wie der Reisende einem Irrlichte folgt: aber sein Herz ist in dem kleinen von Bäumen umgebenen Hause geblieben, in das er sich an dem Abend begeben wollte, wo ich ihn traf. Ich kann also unmöglich einen Mann bei mir behalten, der eine andere liebt, und den ich, wenn ich ihn länger sehen würde, vielleicht schwach genug wäre zu lieben. Oh! ich würde nicht nur meine Ehre, sondern auch die Interessen der Frau Prinzessin verraten, wenn ich so niederträchtig wäre, den Agenten ihrer Verfolger zu lieben!«
Plötzlich rief sie, ihren eigenen Gedanken beantwortend: »Oh! nein, nein, Ihr müßt abreisen, mein Herr; geht oder ich gehe.«
»Ihr vergeßt, Madame,« sagte Canolles, »ich habe Euer Wort, daß Ihr nicht abreist, ohne mich zuvor in Kenntnis gesetzt zu haben.«
»Wohl, mein Herr, ich benachrichtige Euch, daß ich Chantilly in diesem Augenblick verlasse.«
»Und Ihr glaubt, ich werde es gestatten?« – »Wie!« rief die Vicomtesse, »Ihr wollt mir Gewalt antun!«
»Madame, ich weiß nicht, was ich tun werde, aber das weiß ich, daß es mir unmöglich ist, Euch zu verlassen.«
»Also bin ich Eure Gefangene?« – »Ihr seid eine Frau, die ich bereits zweimal verloren habe und nicht zum dritten Male verlieren will.«
»Gewalt also?« – »Ja, Madame, Gewalt,« antwortete Canolles, »wenn es das einzige Mittel ist, Euch zu behalten.«
»Ah!« rief Frau von Cambes, »welch ein Glück, eine Frau zu halten, die seufzt, nach Freiheit ruft, uns nicht liebt, uns haßt!«
Canolles bebte und suchte rasch voneinander zu trennen, was in dem Worte und was in dem Geiste lag.
Er begriff, daß der Augenblick gekommen war, alles gegen alles einzusetzen.
»Madame,« sagte er, »die Worte, die Ihr mit einem so wahren Ausdruck gesprochen habt, daß ich mich über ihre Bedeutung nicht täuschen kann, haben jede Ungewißheit in mir gelöst. Ihr seufzend, Ihr eine Sklavin! ich eine Frau zurückhalten, die mich nicht liebt, die mich haßt! Nein, Madame, nein, seid unbesorgt, es wird nicht so sein. Ich glaubte nach dem Glücke, das Euer Anblick mir gewährte, Ihr würdet meine Gegenwart ertragen; ich hoffte, nachdem ich Achtung, Ruhe des Gewissens, Zukunft, vielleicht die Ehre verloren habe, Ihr würdet mich für dieses Opfer durch das Geschenk einiger Stunden entschädigen, die ich wohl nie wieder finden werde. Alles dies wäre möglich gewesen, wenn Ihr mich geliebt hättet, sogar wenn ich Euch gleichgültig gewesen wäre; denn Ihr seid gut und hättet aus Mitleid getan, was eine andere aus Liebe getan haben würde. Aber ich habe es nicht mehr mit der Gleichgültigkeit, sondern mit dem Hasse zu tun. Dann ist es etwas anderes; Ihr habt recht. Vergebt mir nur,
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