Der Frauenkrieg
ergeben uns nur, wenn sie unsere Stellung im Sturme erobert haben.«
»Zurück!« rief Vibrac, »zurück!«
»Frisch auf!« schrie Ravailly: »vorwärts! Freunde, vorwärts!«
Die Feinde rückten vor: Canolles hielt mit höchstens zehn Mann den Angriff aus; er hatte die Flinte eines toten Soldaten aufgehoben und bediente sich ihrer als Keule.
Seine Gefährten zogen sich in das Innere zurück, und er selbst folgte zuletzt mit Vibrac.
Beide stemmten sich nun gegen die Tür; es gelang ihnen, sie, trotz der Anstrengungen des Feindes, zuzudrücken und mittels einer ungeheuren eisernen Stange zu befestigen. Die Fenster waren vergittert.
»Äxte, Hebeisen, Kanonen, wenn es sein muß!« rief die Stimme des Herzogs von Larochefoucault; »wir müssen sie alle haben, tot oder lebendig.«
Ein furchtbares Feuer folgte auf diese Worte; mehrere Kugeln durchlöcherten die Tür, eine zerschmetterte Vibrac den Schenkel.
»Wahrhaftig, Kommandant,« sagte dieser, »ich habe meine Rechnung, sucht nun die Eure in Ordnung zu bringen; das geht mich nichts mehr an.«
Und er sank an der Mauer hin, da er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte.
Canolles schaute umher; ein Dutzend Soldaten war noch im Verteidigungsstande; der Sergeant, den er in dem unterirdischen Gewölbe als Wache aufgestellt hatte, befand sich unter ihnen.
»Die Fackel,« sagte er zu ihm, »was hast du mit der Fackel gemacht?«
»Bei Gott, Kommandant, ich habe sie neben das Faß geworfen.«
»Brennt sie noch?« – »Wahrscheinlich.«
»Gut. Laß« alle diese Leute durch die Türen, durch die hinteren Fenster hinaus. Erlange für sie und für dich die beste Kapitulation, die du zu erzielen vermagst; das übrige geht mich an.«
»Aber mein Kommandant...«
»Gehorche.«
Der Sergeant beugte das Haupt und machte seinen Soldaten ein Zeichen, ihm zu folgen. Sogleich verschwanden alle durch die inneren Gemächer; sie hatten Canolles' Absicht begriffen und verspürten keine große Lust, mit ihm in die Luft gesprengt zu werden.
Canolles horchte einen Augenblick; man bearbeitete die Tür mit Axtstreichen, ohne daß das Gewehrfeuer deshalb aufhörte; plötzlich verkündigte ein gewaltiges Geräusch, daß die Türe nachgegeben hatte und Canolles hörte, wie die Menge mit Freudengeschrei in das Schloß stürzte.
»Gut, gut,« murmelte er, »in fünf Minuten wird dieses Freudengeschrei in ein Geheul der Verzweiflung verwandelt sein.« Und er eilte in den unterirdischen Gang. Aber auf dem Fasse saß ein junger Mann, die Fackel zu seinen Füßen, den Kopf auf seine beiden Hände gestützt. Bei dem Geräusche erhob er das Haupt, und Canolles erkannte Frau von Cambes.
»Ah!« rief sie aufstehend, »da ist er endlich!«
»Claire,« murmelte Canolles, »was wollt Ihr hier?« »Mit Euch sterben, wenn Ihr sterben wollt.«
»Ich bin entehrt, verloren, ich muß wohl sterben.«
»Ihr seid gerettet und glorreich, gerettet durch mich!«
»Verloren durch Euch! Hört Ihr sie? Sie kommen, hier sind sie! Flieht, Claire, flieht durch diesen unterirdischen Gang; Ihr habt fünf Minuten, das ist mehr, als Ihr braucht.«
»Ich fliehe nicht, ich bleibe.«
»Aber wißt Ihr, warum ich hier herabgestiegen bin? Wißt Ihr, was ich tun will?«
Frau von Cambes hob die Fackel auf, näherte sich dem Pulverfaß und erwiderte: »Ich vermute es.«
»Claire,« rief Canolles erschrocken, »Claire!«
»Wiederholt noch einmal, daß Ihr sterben wollt, und wir sterben miteinander.«
Das bleiche Antlitz der Vicomtesse deutete eine solche Entschlossenheit an, daß Canolles begriff, sie würde tun, was sie sagte; er hielt inne.
»Aber, was wollt Ihr denn?« – »Daß Ihr Euch ergebet.«
»Nie!« rief Canolles.
»Die Zeit ist kostbar,« sagte die Vicomtesse, »ergebt Euch. Ich biete Euch das Leben, ich biete Euch die Ehre an, indem ich Euch die Entschuldigung des Verrates gebe.«»So laßt mich fliehen, ich lege mein Schwert vor die Füße des Königs und verlange Gelegenheit, mir Genugtuung zu verschaffen.«
»Ihr werdet nicht fliehen.« – »Warum?« – »Weil ich nicht so leben kann; weil ich nicht von Euch getrennt leben kann; weil ich Euch liebe.«
»Ich ergebe mich, ich ergebe mich,« rief Canolles, vor Frau von Cambes auf die Knie stürzend und die Fackel, die er in der Hand hielt, weit von sich schleudernd. »Ah!« murmelte die Vicomtesse, »diesmal halte ich ihn, und man wird ihn mir nicht mehr nehmen.«
Es war seltsam und doch erklärlich; die Liebe wirkte so ganz entgegengesetzt
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