Der Frauenkrieg
Band auf, das, sich von der Tapete losmachend, den Rand einer Tür zeigte.
Diese Tür öffnete sich mit dem Schlüssel, den die Vicomtesse dem jungen Mann zugleich mit dem Billett hatte zustellen lassen, und die Mündung eines unterirdischen Ganges bot sich, gähnend und in der Richtung des Schlosses Cambes verlaufend, Canolles' Augen. Einen Augenblick blieb er stumm, und der Schweiß lief von seiner Stirn. Dieser geheimnisvolle Gang, der nicht der einzige sein konnte, erschreckte ihn unwillkürlich. Er zündete eine Kerze an, um ihn zu untersuchen.
Zuerst stieg er zwanzig steile Stufen hinab, dann drang er mit geringerer Neigung in die Tiefe der Erde ein. Bald hörte er ein dumpfes Geräusch, das ihm Anfangs Besorgnis erregte, das er aber bald als das Tosen der Gewässer des Flusses erkannte.
Beinahe zehn Minuten lang Härte Canolles das Rollen des Wassers über seinem Kopfe; dann verminderte sich das Geräusch allmählich und bald war es nur noch ein Gemurmel. Endlich gelangte er zu einer Treppe, der ähnlich, auf der er herabgestiegen war; diese Treppe schloß auf ihrer letzten Stufe eine massive, durch eine eiserne Platte feuerfeste Tür, die zehn Mann mit vereinigten Kräften nicht zu erschüttern imstande gewesen wären.
»Nun begreife ich,« sagte Canolles; »man wird Nanon an dieser Tür erwarten und sie retten.«
Canolles kehrte um, ging unter dem Wasser durch, fand seine Treppe wieder, stieg in sein Zimmer hinauf, befestigte das Band und begab sich äußerst nachdenklich zu Nanon.
Nanon war, wie gewöhnlich, umgeben von Karten, Briefen und Büchern, denn sie führte auf ihre Weise den Bürgerkrieg für den König. Sobald sie Canolles gewahrte, reichte sie ihm entzückt die Hand und sagte: »Der König kommt, und in acht Tagen sind wir außer Gefahr.«
»Er kommt immer,« erwiderte Canolles, »doch leider trifft er nie ein.«
»Oh! diesmal bin ich gut unterrichtet, lieber Baron, und er wird vor acht Tagen hier sein.«
»So sehr er sich auch beeilen mag, Nanon, so wird er doch für uns zu spät kommen.«
»Was sagt Ihr?« – »Ich sage, daß Ihr, statt Euch mit diesen Karten und Papieren beschäftigen, besser tun würdet, an Mittel zur Flucht zu denken.«
»Fliehen! und warum?« – »Weil ich schlimme Kunde habe, Nanon. Eine neue Expedition bereitet sich vor; diesmal kann ich unterliegen.«
»Wohl, mein Freund, ist es nicht abgemacht, daß Euer Geschick das meinige, daß Euer Glück das meine ist?« – »Nein, das kann nicht sein; ich wäre zu schwach, wenn ich für Euch zu fürchten hätte. Wollten sie Euch nicht in Agen im Feuer sterben lassen? Wollten sie Euch nicht in den Fluß stürzen? Hört, Nanon, aus Mitleid für mich besteht nicht darauf, hier zu bleiben, Eure Gegenwart würde mich irgend eine Feigheit begehen lassen.«
»Mein Gott, Canolles, Ihr erschreckt mich.«
»Nanon, ich flehe Euch an, schwört mir, wenn man mich angreift, das zu tun, was ich befehlen werde.«
»Oh! mein Gott, wozu soll dieser Eid nützen?« – »Um mir die Kraft zum Leben zu geben. Nanon, wenn Ihr mir nicht blindlings zu gehorchen gelobt, so schwöre ich Euch, daß ich mich bei der nächsten Gelegenheit töten lasse.«
»Ah! ich schwöre Euch bei unserer Liebe, ich werde alles tun, was Ihr wollt.«
»Gott sei Dank! teure Nanon, nun bin ich ruhig. Packt Eure kostbarsten Juwelen zusammen. Wo ist Euer Gold?« – »In einem in Eisen gebundenen Faß.«»Haltet alles bereit, damit man es mit Euch fortnehmen kann.«
»Oh! Canolles, Ihr wißt wohl, daß der wahre Schatz meines Herzens weder in meinem Gold, noch in meinen Juwelen besteht. Canolles soll dies alles nicht dazu dienen, mich von Euch zu entfernen?« – »Nanon, nicht wahr, Ihr haltet mich für einen Mann von Ehre? Wohl, bei meiner Ehre, was ich tue, wird mir einzig und allein von der Furcht vor der Gefahr, der Ihr preisgegeben seid, eingegeben.«
»Und Ihr glaubt im Ernste an diese Gefahr?« – »Ich glaube, daß die Insel Saint-George morgen genommen sein wird.« »Aber wie?« – »Ich weiß nicht, aber ich glaube es.«
»Und wenn ich in die Flucht willige?« – »So werde ich alles tun, um zu leben, Nanon, das schwöre ich Euch.« »Ihr befehlt, Freund, und ich gehorche,« sagte Nanon, ihm die Hand reichend, und sie vergaß in ihrem Eifer, ihn anzuschauen, die zwei schweren Tränen, die an ihren Wangen herabliefen.
Canolles drückte Nanon die Hand und ging hinaus. Wäre er noch einen Augenblick geblieben, so würde er diese zwei Perlen mit
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