Der Frauenmörder
behäbige ältliche und unwahrscheinlich unmodern gekleidete Frau vor ihm. Sie musterte den Fremden und fragte dann:
"Sie wollten man wohl den Herrn Doktor Hartwich aufsuchen? Der kommt vor elf nicht nach Hause!"
Dabei zog sie umständlich die Schlüssel aus ihrer großen Handtasche und sperrte die Tür auf. Krause, über diese Wendung höchst vergnügt, lüftete mit betonter Artigkeit den Hut.
"Nein, ich wollte Frau Armbruster sprechen."
"Bin ick selbst!"
"Mein Name ist Hauler, Ernst Hauler aus Neu-Strelitz."
"Sehr erfreut! Bitte man mit hereinzukommen."
Sie standen nun in dem üblichen finsteren, altdeutsch eingerichteten, mit neckischen Sprüchen bestickten und verzierten Berliner Zimmer; Frau Armbruster steckte eine Gasflamme an, ließ den Herrn Hauler Platz nehmen. "Wat verschafft mir det Vergnüjen?"
Krause räusperte sich, bevor er loslegte. "Ich komme nämlich aus Neu-Strelitz, wo ich wohne. Auf der Bahn hat mir ein Herr auf meine Frage mitgeteilt, daß ich bei Ihnen ein Zimmer haben könnte. Er selbst hat einmal hier gewohnt und Ihre Sauberkeit besonders gelobt. Und wissen Sie, Sauberkeit, das ist bei mir das halbe Leben und deshalb bin ich hergekommen."
Frau Armbruster zupfte geschmeichelt an ihrer Bluse.
"Jawoll, Sauberkeit, dafür kann ick garantieren! Der Herr wird wohl der Herr Richter jewesen sein, der was einmal vor zwei Jahren bei mir jewohnt hat. Lustiger Bruder, aber — na, man soll nischt Schlechtes über seine Mitmenschen sagen. Nu hat aber das Zimmer, das er jehabt hatte, der Herr Hartwich und es tut mir leid, Ihnen nicht dienen zu können."
Krause zeigte sich tief betrübt, ließ aber nicht locker.
"Liebe Frau Armbruster, ich brauche ja gar kein Zimmer zum Wohnen. Ich bin bloß zwei- oder dreimal wöchentlich in Berlin, komme immer vormittags aus Strelitz an und fahre mit dem letzten Zug wieder zurück. Und da brauchte ich eben einen Raum, wo ich meine paar Briefe schreiben und vielleicht nach Tisch ein Nickerchen machen könnte. Nichts brauche ich als einen Schreibtisch, wie er hier steht, und so eine Chaiselongue, wie sie auch hier ist. Und zahlen würde ich auch sehr gut, weil das Geschäftsspesen sind, die nicht aus meiner Tasche gehen."
Das ohnedies breite Gesicht Frau Armbrusters wurde noch breiter.
"Ja, det ließ sich woll machen! Ich selbst jehe um acht Uhr morjens fort und komm' erst um diese Zeit wieder zurück, weil ick in Feinwäscherei beschäftigt bin. Also, da könnten Sie den janzen Tach sich hier im Zimmer aufhalten."
Die pekuniäre Seite der Frage war rasch und zur vollen Zufriedenheit der Witwe Armbruster erledigt, sie bekam gleich für die nächsten zehn Besuche das ausbedungene Geld und händigte dafür dem Herrn Hauler aus Neu-Strelitz den Wohnungsschlüssel ein.
Im Literaten-Café
" A bend, Herr Inspektor!" "Abend, Herr Krause!" "Heil dem Sherlock Holmes von Berlin und Umgebung!"
Ein halbes Dutzend Hände streckten sich Krause entgegen und er ließ sich lächelnd an dem Tisch der Journalisten im Romanischen Cafe nieder. Es ging schon auf Mitternacht und aus verschiedenen Zeitungsbureaus kamen die Zeitungsmenschen angeschwirrt, um jetzt endlich, wenn die Bürger an das Bett dachten, ein wenig zu leben und die aufgekratzten Nerven zu beruhigen. Krause war an dem Tisch ein seltener, dafür um so lieber gesehener Gast, er verstand fesselnd aus seinem Berufsleben zu erzählen, auch die Nichteingeweihten witterten in ihm einen Menschen von Klasse und Erziehung und außerdem machte er mitunter dem einen oder anderen Redakteur dieser oder jener Zeitung Mitteilungen, die man als Tagessensation gut verwerten konnte.
Der dicke, kleine Rot von der "Lokalpresse" bemächtigte sich sofort des Polizeibeamten, den man gewöhnlich per Herr Inspektor titulierte.
"Sagen Sie einmal, Herr Inspektor, wann wird unsere sehr verehrliche Polizei nun eigentlich den Frauenmörder erwischen? Oder will man warten, bis er sämtliche alten Jungfern von Berlin umgebracht hat?"
Kunzendorf von der "Mittagspost" warf tadelnd ein:
"Sie sind zynisch, Herr Kollege, man scherzt über solch gräßliche Dinge nicht! Außerdem belieben Sie aber auch taktlos zu sein, da Sie doch ebensogut wie wir alle wissen, daß Herr Krause selbst die Nachforschungen in diesem Falle fuhrt."
Krause wehrte lächelnd ab.
"Bitte sich keinen Zwang aufzuerlegen! Ich fürchte selbst, daß wir uns blamieren werden, denn noch niemals in meinem Leben habe ich so wenig Anhaltspunkte gehabt, wie diesmal. Ja, wenn wir
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