Der Frauenmörder
von ihm nimmt. Und es gibt genug Herren hier, die ihm auch das neiden und sicher in den Theaterkanzleien eher gegen ihn als für ihn arbeiten würden, wenn sie wüßten, daß er ein Stück eingereicht hat."
Krause, die Türklinke schon in der Hand, sagte im Ton ehrlicher Teilnahme:
"Da ist der arme Herr Hartwig wohl gar in mißlichen Verhältnissen?"
Das Gesicht der Jungen Dame wurde steinern. Sie warf den Kopf zurück und sagte mit betonter Zurückhaltung:
"Ich kenne die Privatverhältnisse des Herrn Hartwig nicht!"
Krause aber lächelte auf der Straße vor sich hin und sein Gehirn begann mit fieberhafter Geschwindigkeit zu arbeiten, zu kombinieren und aufzubauen.
"Überführt!"
E s war elf Uhr vormittags, als sich Krause unweit des Bahnhofes Friedrichstraße in eine Kaffeehausecke setzte, um das Buch "Kämpfende Seelen" zu lesen, und vier Uhr nachmittags, als er es beendet hatte. Dann ging er nach der Novalisstraße, um sein Absteigequartier aufzusuchen.
Niemand hielt sich in der Wohnung der Frau Armbruster auf, die Türe zum Zimmer des Herrn Hartwig war unversperrt.
Das typische Berliner möblierte Zimmer. Das übliche Sofa mit Paneel, ein wackeliger Fauteuil, eine Uhr an der Wand, die nicht ging, ein zerschlissener Teppich, immerhin aber ein großer, ansehnlicher Schreibtisch und an den Wänden durchaus nicht die Familienbilder derer von Armbruster, sondern ein paar gute Radierungen, Originale mit handschriftlichen Widmungen an den "lieben Freund", "feinsinnigen Beurteiler" und so weiter. Auf dem Schreibtisch ein rechtes Kunterbunt, im Hintergrund in Glas und Rahmen ein schönes Lichtbild des Fräuleins Fröhlich.
Krause zog sein Taschenmesser, entfernte vom Rücken des Rahmens ein paar Nägelchen, so daß er das Bild herausnehmen konnte. In steiler, fester, eigenwilliger Schrift standen da die Worte:
"Dein für immer! Lotte".
Krause überlegte kurz, ging nach dem Vorraum, sperrte die Wohnungstüre von innen ab und ließ den Schlüssel stecken, so daß Frau Armbruster oder Hartwig bei ihrer etwaigen Heimkehr hätten läuten müssen. Nun war er vor unwillkommener Störung sicher.
Einem kleinen Lederfutteral entnahm er winzige Werkzeuge und schon war ein Schreibtischfach nach dem anderen geöffnet. Manuskripte, Tabakbeutel, halbleere Zigarettenschachteln, Ansichtskarten, Lichtbilder, Dokumente quollen ihm entgegen. Das unterste, geräumigste Fach aber war angefüllt mit Briefen. Bündelweise lagen sie da aufgestapelt, Dutzende, Hunderte, viele noch uneröffnet, alle an "Idylle an der Havel, Annoncenbureau des Generalanzeiger" gerichtet.
Krauses Gesicht verriet keine Überraschung, kaum daß es in seinen grauen Augen aufblitzte. Gelassen nahm er die Briefe heraus, setzte sich an den Schreibtisch, als wäre er im eigenen Zimmer, begann blitzschnell die geöffneten Briefe auf ihren Inhalt zu prüfen, während er die noch nicht eröffneten beiseite legte. Eine halbe Stunde mochte so vergangen sein, Briefbogen auf Briefbogen flogen auf einen Haufen, alle möglichen und unmöglichen Gerüche entstiegen ihnen, es begann im Zimmer nach Altjüngferlichkeit, Armut, Jammer, Veilchen, Lavendel zu riechen. Und wahrend er las, horchte er auf, vernahm durch die offene Tür jedes Geräusch, jeden Schritt auf dem Treppenflur, immer bereit, innerhalb einer Sekunde wieder alles in Ordnung zu bringen und aus der Stube des Herrn Hartwig in sein gemietetes Berliner Zimmer zu schleichen.
Jetzt erweiterten sich seine Pupillen, gespannt, mit zugespitzten Lippen las er einen Brief durch. Es war der Brief der verschwundenen Käte Pfeiffer. Und in rascher Folge fanden sich nun die Briefe der Müller, Möller, Jensen und Cohen vor. Blaue, grüne, rosa und weiße Papiere, solche in guter Leinenqualität, schlechte, fetzige, wie man sie in den Konditoreien bekommt, ernste, nüchterne und kitschige, abscheuliche mit Tauben oder Vergißmeinnicht verziert.
Dies war der Brief der Annemarie Jensen aus Hamburg:
Verehrter Herr!
Mit Gegenwärtigem erlaube ich mir, auf ihre werte Annonce im "Generalanzeiger" Bezug zu nehmen, indem ich glaube, allen Ihren Anforderungen zu entsprechen. Bin 24 Jahre alt, entstamme einer ordentlichen Hamburger Familie, mein Vater war Kapitän bei Woermann, ist aber ebenso wie meine Mutter längst gestorben, wie ich überhaupt niemanden auf der Welt habe und ganz allein stehe. Würde gerne einem guten Mann eine liebevolle Frau werden und kann wohl behaupten, daß Sie es nicht zu bereuen haben würden. Bin
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