Der Freigeist
Schwester.—Was suchst du damit, dass du dem Theophan dieses sagst? Es ist allezeit besser, wenn man es nicht weiss, wer von uns uebel spricht. Die Kenntnis unserer Verleumder wirkt auch in dem grossmuetigsten Herzen eine Art von Entfernung gegen sie, die ihre Aussoehnung mit der beleidigten Person nur noch schwerer macht.
Theophan . Sie entzuecken mich, Juliane. Aber fuerchten Sie nichts! Eben darin soll ueber kurz oder lang mein Triumph bestehen, dass ich den mich jetzt verachtenden Adrast besser von mir zu urteilen gezwungen habe. Wuerde ich aber nicht diesen ganzen Triumph zernichten, wenn ich selbst einigen Groll gegen ihn fassen wollte? Noch hat er sich nicht die Muehe genommen, mich naeher kennenzulernen. Vielleicht, dass ich ein Mittel finde, ihn dazu zu vermoegen.—Lassen Sie uns nur jetzt davon abbrechen; und erlauben Sie, dass ich einen meiner naechsten Blutsfreunde bei Ihnen anmelden darf, der sich ein Vergnuegen daraus gemacht hat, mich hier zu ueberraschen.—
Juliane . Einen Anverwandten?
Henriette . Und wer ist es?
Theophan . Araspe.
Juliane . Araspe?
Henriette . Ei! das ist ja vortrefflich! Wo ist er denn?
Theophan . Er war eben abgestiegen, und hat mir versprochen, unverzueglich nachzufolgen.
Henriette . Weiss es der Papa schon?
Theophan . Ich glaube nicht.
Juliane . Und die Grossmama?
Henriette . Komm, Schwesterchen! diese froehliche Nachricht muessen wir ihnen zuerst bringen.—Du bist doch nicht boese auf mich?
Juliane . Wer kann auf dich boese sein, Schmeichlerin? Komm nur!
Theophan . Erlauben Sie, dass ich ihn hier erwarte.
Henriette . Bringen Sie ihn aber nur bald. Hoeren Sie!
Dritter Auftritt
Theophan. Lisette.
Dritter Auftritt
16
Der Freigeist
Lisette . Ich bleibe, Herr Theophan, um Ihnen noch ein kleines grosses Kompliment zu machen. Wahrhaftig!
Sie sind der gluecklichste Mann von der Welt! und wenn Herr Lisidor, glaube ich, noch zwei Toechter haette, so wuerden sie doch alle viere in Sie verliebt sein.
Theophan . Wie versteht Lisette das?
Lisette . Ich verstehe es so: dass wenn es alle viere sein wuerden, es jetzt alle zwei sein muessen.
Theophan (laechelnd). Noch dunkler!
Lisette . Das sagt Ihr Laecheln nicht.—Wenn Sie aber wirklich Ihre Verdienste selbst nicht kennen, so sind Sie nur desto liebenswerter. Juliane liebt Sie: und das geht mit rechten Dingen zu, denn sie soll Sie lieben.
Nur schade, dass ihre Liebe so ein gar vernuenftiges Ansehen hat. Aber was soll ich zu Henrietten sagen?
Gewiss sie liebt Sie auch, und was das Verzweifeltste dabei ist, sie liebt Sie—aus Liebe.—Wenn Sie sie doch nur alle beide auch heiraten koennten!
Theophan . Sie meint es sehr gut, Lisette!
Lisette . Ja, wahrhaftig! alsdann sollten Sie mich noch obendrein behalten.
Theophan . Noch besser! Aber ich sehe, Lisette hat Verstand—
Lisette . Verstand? Auf das Kompliment weiss ich, leider! nichts zu antworten. Auf ein anders: Lisette ist schoen, habe ich wohl ungefaehr antworten lernen: Mein Herr, Sie scherzen. Ich weiss nicht, ob sich diese Antwort hieher auch schickt.
Theophan . Ohne Umstaende!—Lisette kann mir einen Dienst erzeigen, wenn sie mir ihre wahre Meinung von Julianen entdeckt. Ich bin gewiss, dass sie auch in ihren Mutmassungen nicht weit vom Ziele treffen wird.
Es gibt gewisse Dinge, wo ein Frauenzimmerauge immer schaerfer sieht, als hundert Augen der Mannspersonen.
Lisette . Verzweifelt! diese Erfahrung koennen Sie wohl nimmermehr aus Buechern haben—Aber, wenn Sie nur acht auf meine Reden gegeben haetten; ich habe Ihnen bereits meine wahre Meinung von Julianen gesagt.
Sagte ich Ihnen nicht, dass mir ihre Liebe ein gar zu vernuenftiges Ansehen zu haben scheine? Darin liegt alles, was ich davon denke. Ueberlegung, Pflicht, vorzuegliche Schoenheiten der Seele—Ihnen die Wahrheit zu sagen, gegen so vortreffliche Worte, in einem weiblichen Munde, mag ein Liebhaber immer ein wenig misstrauisch sein. Und noch eine kleine Beobachtung gehoeret hieher: diese naemlich, dass sie mit den schoenen Worten weit sparsamer gewesen, als Herr Theophan allein im Hause war.
Theophan . Gewiss?
Lisette (nachdem sie ihn einen Augenblick angesehen). Herr Theophan! Herr Theophan! Sie sagen dieses Gewiss mit einer Art,—mit einer Art,—
Theophan . Mit was fuer einer Art?
Lisette . Ja! nun ist sie wieder weg. Die Mannspersonen! die Mannspersonen! Und wenn es auch gleich die allerfroemmsten sind—Doch ich will mich nicht irremachen lassen. Seit Adrast im Hause ist, wollte
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