Der Freigeist
ich sagen, fallen zwischen dem Adrast und Julianen dann und wann Blicke vor—
Theophan . Blicke?—Sie beunruhiget mich, Lisette.
Dritter Auftritt
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Der Freigeist
Lisette . Und das Beunruhigen koennen Sie so ruhig aussprechen, so ruhig—Ja, Blicke fallen zwischen ihnen vor; Blicke, die nicht ein Haar anders sind, als die Blicke, die dann und wann zwischen Mamsell Henrietten und dem vierten vorfallen—
Theophan . Was fuer einem vierten?
Lisette . Werden Sie nicht ungehalten. Wenn ich Sie gleich den vierten nenne, so sind Sie eigentlich doch in aller Absicht der erste.
Theophan (die ersten Worte beiseite). Die Schlaue!—Sie beschaemt mich fuer meine Neubegierde, und ich habe es verdient. Nichtsdestoweniger aber irret Sie sich, Lisette; gewaltig irret Sie sich—
Lisette . O pfui! Sie machten mir vorhin ein so artiges Kompliment, und nunmehr gereuet es Sie auf einmal, mir es gemacht zu haben.—Ich muesste gar nichts von dem Verstande besitzen, den Sie mir beilegten, wenn ich mich so gar gewaltig irren sollte.—
Theophan (unruhig und zerstreut). Aber wo bleibt er denn?—
Lisette . Mein Verstand?—Wo er will.—So viel ist gewiss, dass Adrast bei Henrietten ziemlich schlecht steht, sosehr sie sich auch nach seiner Weise zu richten scheint. Sie kann alles leiden, nur geringgeschaetzt zu werden, kann sie nicht leiden. Sie weiss es allzuwohl, fuer was uns Adrast ansieht: fuer nichts, als Geschoepfchen, die aus keiner andern Absicht da sind, als den Maennern ein Vergnuegen zu machen. Und das ist doch sehr nichtswuerdig gedacht! Aber da kann man sehen, in was fuer gottlose Irrtuemer die unglaeubigen Leute verfallen.—Nu? Hoeren Sie mir nicht mehr zu, Herr Theophan? Wie so zerstreut? wie so unruhig?
Theophan . Ich weiss nicht, wo mein Vetter bleibt?—
Lisette . Er wird ja wohl kommen.—
Theophan . Ich muss ihm wirklich nur wieder entgegengehn.—Adieu, Lisette!
Vierter Auftritt
Lisette. Das heisse ich kurz abgebrochen!—Er wird doch nicht verdriesslich geworden sein, dass ich ihm ein wenig auf den Zahn fuehlte? Das brave Maennchen! Ich will nur gerne sehen, was noch daraus werden wird.
Ich goenne ihm wirklich alles Gutes, und wenn es nach mir gehen sollte, so wuesste ich schon, was ich taete.—(Indem sie sich umsieht.) Wer koemmt denn da den Gang hervor?—Sind die es?—Ein Paar allerliebste Schlingel! Adrasts Johann, und Theophans Martin: die wahren Bilder ihrer Herren, von der haesslichen Seite! Aus Freigeisterei ist jener ein Spitzbube; und aus Froemmigkeit dieser ein Dummkopf. Ich muss mir doch die Lust machen, sie zu behorchen. (Sie tritt zurueck.) Fuenfter Auftritt
Lisette, halb versteckt hinter einer Szene. Johann. Martin.
Johann . Was ich dir sage!
Martin . Du musst mich fuer sehr dumm ansehen. Dein Herr ein Atheist? das glaube sonst einer! Er sieht ja aus wie ich und du. Er hat Haende und Fuesse; er hat das Maul in der Breite und die Nase in der Laenge, wie Vierter Auftritt
18
Der Freigeist
ein Mensch; er red't, wie ein Mensch; er isst, wie ein Mensch:—und soll ein Atheist sein?
Johann . Nun? sind denn die Atheisten keine Menschen?
Martin . Menschen? Ha! ha! ha! Nun hoere ich, dass du selber nicht weisst, was ein Atheist ist.
Johann . Zum Henker! du wirst es wohl besser wissen. Ei! belehre doch deinen unwissenden Naechsten.
Martin . Hoer zu!—Ein Atheist ist—eine Brut der Hoelle, die sich, wie der Teufel, tausendmal verstellen kann. Bald ist's ein listiger Fuchs, bald ein wilder Baer;—bald ist's ein Esel, bald ein Philosoph;—bald ist's ein Hund, bald ein unverschaemter Poete. Kurz, es ist ein Untier, das schon lebendig bei dem Satan in der Hoelle brennt,—eine Pest der Erde,—eine abscheuliche Kreatur,—ein Vieh, das dummer ist, als ein Vieh;—ein Seelenkannibal,—ein Antichrist,—ein schreckliches Ungeheuer—
Johann . Es hat Bocksfuesse: nicht? Zwei Hoerner? einen Schwanz?—
Martin . Das kann wohl sein.—Es ist ein Wechselbalg, den die Hoelle durch—durch einen unzuechtigen Beischlaf mit der Weisheit dieser Welt erzeugt hat;—es ist—ja, sieh, das ist ein Atheist. So hat ihn unser Pfarr abgemalt; der kennt ihn aus grossen Buechern.
Johann . Einfaeltiger Schoeps!—Sieh mich doch einmal an.
Martin . Nu?
Johann . Was siehst du an mir?
Martin . Nichts, als was ich zehnmal besser an mir sehen kann.
Johann . Findest du denn etwas Erschreckliches, etwas Abscheuliches an mir? Bin ich nicht ein Mensch, wie du? Hast du jemals gesehen, dass ich ein Fuchs, ein
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