Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Fremde aus dem Meer

Titel: Der Fremde aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy J. Fetzer
Vom Netzwerk:
noch, mein Flugzeug zu erreichen.« Anthony gab die Fernbedienung zurück, stand auf, tippte an einen nicht vorhandenen Hut und ging hinaus.
    Ramsey wandte seine Aufmerksamkeit dem Bildschirm zu und fand sich in einer kleinen Kapelle wieder, genau neben dem jungen, ganz in Weiß gekleideten Mädchen, das vor dem Altar kniete. Sie sah wie eine Neunzehnjährige aus. Er wusste jedoch, dass Penelope mindestens neun oder zehn Jahre älter war. Der
    Film lief weiter, und er vergaß, dass es Penelope war. Die dargestellten Ereignisse erregten tiefes Mitgefühl in ihm für die behütete kleine Dame, und er teilte ihre Verachtung für die, die sie gefangen hielten und sich hinter heiliger Ordnung und schwarzen Gewändern verbargen. Er sah nicht Penelope, sondern Karinn, die Kindfrau, die gezwungen wurde, sich den strengen katholischen Regeln zu unterwerfen, weil sie keine Eltern hatte. Doch Ramsey sah noch etwas anderes.
    Er sah einen dumpfen Schmerz in den Mädchenaugen, einen Schmerz, den er schon einmal bei Penelope gesehen hatte, und zwar an dem Tag, an dem er sie an Bord der Diana kennen gelernt hatte. Es zerriss ihm das Herz, als Karinn Gott darum bat, ihr die Hoffnung auf ein Leben außerhalb der Steinmauern zu gewähren. Und er fühlte sich mit ihr verbunden, als sie plötzlich in eine Welt hinausgeworfen wurde, die sie nie kennen gelernt hatte. Als der Film zu Ende ging, fuhr sich Ramsey mit den Fingern durchs Haar, wobei er gewahr wurde, wie leicht Penelopes Darstellung ihn in das Leben der jungen Karinn geführt und ihn von der Frau entfernt hatte, die er kannte. Sie hatte Talent, und dafür zollte er ihr Bewunderung.
    Aber bei Penelope hatte er noch nicht viel von solch lebhaftem Gefühlsausdruck erlebt, und er fragte sich, warum sie so viel vor denen verbarg, die sich um sie sorgten. Schlüpfte sie, wenn sie mit ihm zusammen war, in eine Rolle? Der Gedanke, dass es so sein könnte, traf ihn schmerzlich, doch dann schob er ihn beiseite. Er rief sich die Maske der Distanziertheit in Erinnerung, die sie in Anwesenheit Baileys und der Polizei aufsetzte. Es ist eine Rolle, die sie spielt, um Neugierige auf Abstand zu halten, dachte er. Und das beherrschte sie meisterhaft. Aber trotzdem, das nagende Unbehagen konnte er nicht unterdrücken. Wer war Penelope Hamilton?
    Die Hälfte des Films war gerade vorbei, als Penelope an der Tür stehen blieb. Sie war keineswegs verärgert darüber, dass er sich wie zu Hause fühlte. Sie hätte es eigentlich sein sollen, aber er sah so hinreißend gut aus, wie er es sich auf der Couch bequem gemacht hatte, die Beine lang ausgestreckt, die bloßen Füße auf dem kleinen Tisch. Er nahm gerade einen Schluck aus einem großen Bierglas. Sein seitlich gescheiteltes, glänzendes Haar hing herunter und verdeckte sein Gesicht, so dass sie sein Mienenspiel nicht erkennen konnte.
    In dem Film, den er sich gerade ansah, spielte sie sich zum großen Teil selbst. Niemand würde je erfahren, wie viel sie dafür gegeben hätte, so ein Leben führen zu können wie die junge Karinn. Penny gab nicht viel darauf, was die Kritiker über ihre Arbeit sagten; sie wusste selbst, wann sie schlecht war und das gesteckte Ziel verfehlt hatte. Habits of nature traf ins Schwarze. Sie wollte seine Meinung darüber wissen, doch seine geballte Faust und die leisen, wortlosen Töne des Mitleidens waren eigentlich alles, was sie brauchte. Ihr Herz schmerzte wie eine blutende Wunde. Und im nächsten Atemzug sagte sie sich selbst, dass es nicht wichtig sei, ob ihm ihre Arbeit gefiel oder nicht.
    Es ist doch wichtig. Es ist wirklich sehr wichtig.
    Sie trat einen Schritt vor und überlegte, ob sie sich zu ihm setzen sollte, doch dann blieb sie stehen. Sie sah auf den alten Schlüssel, den sie fest umklammert hielt. Das Herz wurde ihr plötzlich schwer vor Kummer, und leise wandte sie sich ab. Ihr Glück war in letzter Zeit nur von kurzer Dauer, und eine leise Stimme rief ihr zu, sich etwas davon zu nehmen, bevor es zu spät war.

23
    Sie träumte. Und tanzte. Nein ... schwamm. Aber es war ein Traum, was wusste sie also genau? Leise, schwermütige Töne eines klassischen Klavierstückes drangen durch den Nebel ihres schläfrigen Geistes. So sanft und beruhigend. War sie in einem Schwimmbad? Nein. Es war das Meer. Nackt tauchte sie aus dem schäumenden Wasser auf und ging langsam den Strand hinauf. Der nasse Sand gluckste zwischen ihren Zehen, und ihre Hüften schwangen heftig von einer Seite auf die andere, als ihre Füße

Weitere Kostenlose Bücher