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Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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alles.
    »Die Frau, die uns mitgenommen hat, ist diese Strecke noch nie zu Fuß gegangen, oder höchstens bei kaltem Wetter, wenn man schneller vorankommt. Eine halbe Stunde! Das war ja wohl völlig daneben!«
    »Trotzdem finde ich, dass deine Füße …«
    Sie sah ihn an, gereizt, weil sie wusste, sie hatte einen großen
Fehler gemacht. »Ja, okay, es sind neue Schuhe. Und ich weiß, die darf man nie auf einer größeren Strecke anziehen. Allerdings war mir, als du mir diesen Traumurlaub angekündigt hast, auch nicht klar, dass wir in einer Einöde landen und viele Kilometer weit marschieren würden. Irgendwie hast du völlig vergessen, dies zu erwähnen!«
    Er kauerte vor ihr, betrachtete ihre Füße und sah dann zu ihr hoch. Wie immer fiel es ihr schwer, angesichts seiner sanften Miene und der fast kindlich wirkenden blauen Augen, Aggression und Ärger aufrechtzuerhalten.
    »Nicht streiten«, bat er, » das verbraucht nur Kräfte!«
    Sie strich ihm mit der Hand über die schweißnassen blonden Haare, die über der Stirn einen eigenwilligen Wirbel bildeten – der für immer verhindern würde, dass er wirklich seriös aussah.
    » Okay. Aber …« Sie sprach nicht weiter. Es hatte keinen Sinn, ihm zu erklären, dass es wieder einmal seine Leichtfertigkeit und Unüberlegtheit gewesen waren, die sie beide in diese Situation gebracht hatten, und dass es notwendig wäre, er würde versuchen, etwas mehr Reife und erwachsenes Benehmen zu entwickeln, aber natürlich würde er sich so wenig ändern, wie sich andere Menschen ebenfalls in ihren Grundstrukturen nicht änderten – jedenfalls nicht auf Bitten oder Anraten anderer hin. Irgendeine erschütternde Erfahrung, ein aufwühlendes Erlebnis könnten bei Marius eine Neuorientierung bewirken, aber dies herbeizuführen lag nicht in ihrer Macht.
    »Pass auf«, sagte Marius, »du bleibst jetzt hier sitzen und ruhst dich aus. Ich lasse das ganze Gepäck bei dir und mache mich auf die Suche nach einer Apotheke. Und nach einem Supermarkt. Ich werde dir eiskalte Limonade bringen und eine schöne, kühle Salbe für deine Füße. Wie findest du das?«
    Das Angebot klang äußerst verlockend, aber Freude oder
Erleichterung würde Inga erst empfinden, wenn Marius mit den versprochenen Dingen wieder vor ihr stünde. Vorläufig war die Gefahr zu groß, dass er sich entweder verlief und erst nach Stunden zurückkam, oder unterwegs vergaß, weshalb er losgezogen war. Inga hielt es durchaus für möglich, dass er irgendwann mit einer CD in der Hand aufkreuzte, auf der sich die Musik einer Gruppe befand, nach der er lange gesucht und die er nun in einem Drogeriemarkt entdeckt hatte. Worüber er vor Aufregung sein eigentliches Vorhaben vergessen haben würde.
    Aber da sie keine Wahl hatte, nickte sie. »In Ordnung. Das ist lieb von dir. Bist du denn sicher, dass du das schaffst?«
    » Mir geht’s ganz gut. Vor allem sind meine Füße noch heil. Also «, federnd sprang er hoch, » warte hier auf mich, ja?«
    Sie lächelte müde und sah ihm nach, wie er ein Stück die Dorfstraße zurückging und dann nach links in eine Nebenstraße abbog. Er hatte eindeutig die bessere Kondition. Allerdings machte er auch viel Sport, im Unterschied zu ihr, die sie sich immer nur verbissen und ohne nach rechts oder links zu schauen auf ihr Studium konzentrierte.
    Ich sollte wenigstens einen Gymnastikkurs bei der Volkshochschule belegen, dachte sie.
    Ein Stück weiter die Straße hinunter entdeckte sie eine Mauer, die ein wenig Schatten spendete, und sie beschloss, sich dorthin zu verziehen, da sie unweigerlich sonst demnächst einen Sonnenstich bekommen würde. Es kostete sie eine ungeheure Anstrengung, aufzustehen, ihre Sachen zusammenzuraffen und zwanzig Schritte weiterzugehen, wobei sie so schnell wie möglich trippeln musste, da der heiße Asphalt unerträglich an ihren nackten Fußsohlen schmerzte. Sie musste dreimal hin- und herlaufen, bis sie das ganze Gepäck zu der Mauer geschafft hatte, und dann sank sie auf ihren zusammengerollten Schlafsack nieder und schnaufte wie
eine Lokomotive. Ihr war ein wenig übel. Womöglich hatte sie bereits zu viel Sonne abbekommen, und ihr körperlicher Zusammenbruch hatte nicht nur etwas mit ihrer Unsportlichkeit zu tun.
    Der Schatten tat gut. Das Sitzen tat gut. Wenn sie jetzt noch etwas Wasser bekäme, würde sie sich schon fast wieder richtig wohl fühlen.
    Sie schloss die Augen, versuchte dabei jedoch, keinesfalls einzuschlafen. Schließlich lag ihr gesamtes Hab

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