Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
unbegreiflich, dass sie nun …« Er sprach den Satz nicht zu Ende. Er fragte sich, ob es tatsächlich nicht zu begreifen war. Wenn man sie und Felix gekannt und gemeinsam erlebt hatte, dann war klar, dass sein Tod ihr Herz und Seele aus dem Leib gerissen haben musste. Dennoch, davon war er überzeugt, steckte irgendwo in ihr die alte Rebecca, tief vergraben unter dicken Schichten von Verzweiflung und Melancholie und unbewältigter Trauer. Das Problem war, dass sie niemandem die Möglichkeit einräumen würde, zu der alten Rebecca vorzudringen und sie wieder zum Leben zu erwecken. Sie hatte ihr früheres Leben so radikal abgebrochen, dass es außer ihm wohl kaum noch jemand wagen würde, die Grenzen, die sie mehr als deutlich gesetzt hatte, zu überschreiten.
    Für den Rest der Fahrt sprach niemand mehr. Maximilian überlegte, wie seine nächsten Schritte aussehen sollten. Gleich am Abend seiner Ankunft hatte er drüben in Sanary ein Hotelzimmer genommen; er hatte nicht gewagt, Rebecca zu fragen, ob er ihr Gästezimmer benutzen durfte, und sie hatte es auch nicht angeboten. Seitdem hatte er sie zweimal gesehen, und jedes Mal hatte sie alles andere als erfreut gewirkt. Seine Besuche bei ihr konnte er überhaupt nur noch
mit seinem Interesse an dem Schiff rechtfertigen, und auch damit würde er sie nicht ewig hinhalten können. Im Grunde hatte er sich ohnehin längst gegen die Libelle entschieden. Sie erinnerte ihn zu stark an Felix. Vielleicht würde er sich irgendwann ein neues, ein ganz anderes Boot kaufen.
    Er ließ Marius und Inga vor dem unbebauten Grundstück aussteigen und sah ihnen einen Moment lang nach. Beide trugen Shorts und hatten schon leicht gebräunte Beine. Inga humpelte noch ein wenig. Marius schwenkte die weiße Plastiktüte, in der sich seine Einkäufe befanden, lässig hin und her.
    Wie sorglos man in diesem Alter noch sein kann, dachte Maximilian, Sonne, Meer, ein Zelt, Zweisamkeit – das reicht völlig aus, um glücklich zu sein.
    Er rollte die paar Meter weiter bis zu Rebeccas Gartentor, stieg aus, wappnete sich innerlich gegen Kummer und Ablehnung, die ihn empfangen würden. Das Tor quietschte, als er es öffnete.
    Sie hört das Quietschen und seufzt bestimmt genervt, dachte er deprimiert.
    Er traf sie auf der rückwärtigen Veranda. Sie hängte Wäsche auf ein Gestell, ein paar T – Shirts, Unterwäsche, Socken. Sie sah Maximilian nicht an.
    »Ich habe für die jungen Leute gewaschen«, sagte sie, so als müsse sie eine Erklärung für ihre Tätigkeit abgeben. »Die junge Frau – wie heißt sie noch? Inga? Sie kam heute früh zu mir und fragte, ob es unten im Dorf einen Waschsalon gibt. Da habe ich angeboten …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
    »Ich hoffe, ich habe dir da nichts eingebrockt«, meinte Maximilian unbehaglich, »indem ich die beiden mitgebracht habe.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ewig werden sie ja nicht bleiben.«

    »Sicher nicht.« Er sah ihr zu. Sie hatte noch immer die raschen Bewegungen einer Frau, die Dinge schnell erledigt, weil ihre Zeit knapp ist.
    Ach, Rebecca, dachte er traurig.
    »Ich wollte schon heute früh zu dir«, sagte er, »aber dann habe ich erst noch die jungen Leute ins Dorf gefahren. Inga war noch mal beim Arzt, und Marius wollte einkaufen. Bei der Gelegenheit habe ich auch ein paar Dinge für dich besorgt. « Er hob eine Einkaufstüte hoch, die er neben sich auf die Steinfliesen gestellt hatte. »Obst, Käse und einen sehr guten Rotwein. Ich dachte … vielleicht essen wir heute Abend zusammen?«
    Sie antwortete nicht.
    »Ich war auch am Hafen«, fuhr er fort, »und habe mir noch mal die Libelle angesehen. Und mit Albert gesprochen. Er hat sie gut in Schuss gehalten.«
    » Und – möchtest du sie nun haben?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Sie erinnert mich sehr an Felix.«
    »Du musst nur Ja oder Nein sagen. Wenn du sie nicht willst, ist es auch kein Problem.«
    »So einfach ist das nicht.«
    »Ich kann dieses Problem für dich nicht lösen.«
    »Wenigstens siehst du, dass eines da ist.«
    Wieder entgegnete sie nichts, und in seiner Hilflosigkeit plötzlich wütend, fuhr er sie an: »Verdammt, Rebecca, du bist doch nicht die Einzige, die trauert! Du hast deinen Mann verloren. Ich habe meinen besten Freund verloren. Felix’ Eltern haben ihren Sohn verloren. Es ist … wir müssen doch alle irgendwie weitermachen! Es hilft nichts. Sein Leben ist zu Ende. Nicht unseres. Dagegen können wir nichts machen.«
    Sie hängte das letzte Handtuch

Weitere Kostenlose Bücher