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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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unmittelbar hinter ihnen. Priester und Dienerschaft bildeten den Schluss, die Frauen unter ihnen rissen schon an ihrem blauen Leinen und bückten sich, um sich Sand ins Haar zu streuen.
    Auf ein Zeichen von Kamose setzte sich der Zug in Bewegung. Die Schlitten ruckten an und glitten durch den Sand, gefolgt von Männern aus dem Amun-Tempel, die in vier Alabasterkrügen Seqenenres Eingeweide trugen. Kamose legte den Arm um seine Mutter und überließ sich seinem Kummer.
    So kamen sie zum Fuße der Felsen, wo Seqenenre vor vielen Jahren sein Grabmal vorbereitet hatte, und scharten sich um den Eingang. Amunmose trat vor und wollte mit den Bestattungsriten beginnen, neben sich seine Tempeldiener mit rauchenden Weihrauchgefäßen. Die Menge wurde still, nur die kleinen Tänzerinnen wisperten noch kurz, als sie ihre Plätze für den Tanz einnahmen. Si-Amuns schlichter Sarg, der in der Nähe stand, zog viele verstohlene Blicke auf sich, doch niemand wagte es, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Amunmose benahm sich, als ob er nicht da wäre, ging um Seqenenres Sarg herum, der hochgestellt am Felsen lehnte und zur Mundöffnungszeremonie geöffnet wurde. Kamose sah, wie das heilige Messer den umwickelten Mund, Augen, Nase und Ohren des Leichnams berührte und so Seqenenres Sinne befreite, damit dieser sie wieder benutzen konnte. Als der Hohe Priester geendet hatte, wirkte er unschlüssig, warf Kamose einen fragenden Blick zu und deutete mit einer kaum wahrnehmbaren Geste auf den anderen Sarg. Kamose überlegte rasch. Wie konnte der Tote wieder riechen oder lieblich-kühles Wasser schmecken oder die grüne Pracht der gewaltigen Sykomore sehen, die den Eingang zu Osiris’ Totenreich bewachte, wenn die Zeremonie nicht vollzogen wurde? Dann schüttelte er den Kopf. Man musste den Anschein aufrechterhalten, dass Si-Amun rein zufällig auf dem Weg zu seiner eigenen Ruhestätte war und aus praktischen Gründen mitgenommen wurde, obwohl jeder hier begriff, was Kamose in Wahrheit wollte.
    Amunmose gab das Zeichen für den nächsten Ritus. Der Reihe nach kniete die Familie nieder und küsste die Füße des Leichnams, der in seinen Binden steif und starr war und so gar nicht mehr dem Mann ähnelte, dessen Gegenwart das Haus so viele Jahre erfüllt hatte, und dann begannen die Tänzerinnen ihren magischen Tanz um ihn herum, der ihn vor den Gefahren der Reise behüten sollte. Wie liebenswert diese Leute doch sind, dachte Kamose, denn er merkte, dass so manch kleine Hand Si-Amuns Sarg scheinbar zufällig streifte und so manche Tänzerin sich zur Seite beugte, damit ihr duftendes Haar über den Deckel glitt. Ihre Treue ist größer als ihre Angst, das Gesetz hinsichtlich Selbstmords zu brechen, und ihr herzliches Verständnis kann so manchen Edelmann beschämen.
    Aus dem Morgen wurde früher Nachmittag. Man errichtete Sonnensegel und verteilte Polster auf dem Sand, doch viele standen lieber dicht am Grabmal, während sich die Riten ihrem Ende näherten. Endlich brachten Diener Seqenenre die Treppe hinunter in die kühle Dunkelheit des Grabmals, legten ihn in seinen Steinsarkophag und ordneten seine Habe rings um ihn an. Kamose sah, wie die Frauen des Hauses Blumen auf den Deckel legten und still weinten, sah auch die Möbel, die Krüge mit Essen, Wein und Öl, das Geschmeide seines Vaters und seinen Schminkkasten. Geschnitzte Diener aus Holz standen bereit und würden sich um Seqenenres Bedürfnisse kümmern, und sein auseinander gebauter Streitwagen lehnte ehrerbietig an der Wand zusammen mit seinem Bogen und einem Köcher voll Pfeile. Was nutzt ihm das alles ohne uns?, dachte Kamose zornig. Alle diese Dinge erinnern ihn doch nur an seine Familie, die jetzt durch eine Kluft von ihm getrennt ist, die weder er noch wir überspringen können. Wird er sich noch an ihnen erfreuen können?
    Er ergriff Tanis Hand und führte sie die Treppe hoch und hinaus in das blendend helle Licht. Er musste kurz blinzeln, genoss jedoch die jähe Weite von überwältigendem Himmel und schimmerndem Land, dann begaben sie sich zum Essen, das im Schatten von zwei Sonnensegeln aufgetragen wurde. Aahotep und Tetischeri saßen bereits dicht nebeneinander und schwiegen sich aus. Aahmes-nofretari saß auf einer Binsenmatte so dicht wie möglich an Si-Amuns Sarg und speiste schon, und Kamose brachte es nicht übers Herz, sie zu schelten. Sie teilte mit ihrem Ehemann, nicht mit ihrem Vater. Er, Ahmose und Tani gesellten sich zu den Frauen, und Tetischeri nickte Uni zu.

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