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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Kamose beherrschte mühsam seinen Zorn.
    »Ich habe mich öffentlich gewehrt, Großmutter, hast du das vergessen?«
    »Nein, aber nicht gerade heftig!«, fauchte sie. »Halte ihn auf, rede über eine Mitgift mit ihm, irgendetwas …«
    Kamose fuhr zu ihr herum, näherte sein Gesicht ihrem und fauchte zurück: »Bist du vollkommen verrückt geworden? Ich sage es dir einmal, Tetischeri, und dann nie wieder. Ich brauche Zeit. Tani muss nach Norden reisen, die Wiedergutmachung muss gezahlt werden, wir müssen friedlich und fügsam wirken. Apophis muss eingelullt werden, damit er denkt, dass wir endlich klein beigeben. Ich brauche Zeit!«
    »Willst du sie opfern?«
    »Falls du es so ausdrücken möchtest – ja. Sie weiß Bescheid.« Seine Großmutter blieb stehen. Er spürte, wie sie im Dunkel angestrengt nachdachte, obwohl er ihr Gesicht kaum ausmachen konnte.
    »Wenn wir Auaris einnehmen, können wir sie zurückholen«, wisperte sie. »Was ist mit General Dudu?« Kamose unterdrückte einen heftigen Lachanfall. Auaris einnehmen? Tani zurückholen? Es war sinnlos, böse auf Tetischeri zu sein, ihr Vorwürfe zu machen, über ihre großspurigen Pläne zu lachen. Tetischeri war nun einmal Tetischeri.
    »Um Dudu kümmere ich mich, sowie der König aufgebrochen ist«, erwiderte er und ging weiter. »Du glaubst doch, dass es ohnedies hoffnungslos ist?«
    »Was ich glaube, ist nicht wichtig«, sagte sie jetzt lauter. »Was wir alle glauben, zählt nicht, nur was wir tun und was wir sagen. Wir müssen uns immer so benehmen, als ob bestimmte Dinge eintreffen würden. Gute Nacht, Kamose.«
    »Gute Nacht, Großmutter.« Sie ist ein wenig verrückt, dachte er, als sie in der fackelerhellten Stille des schlafenden Hauses verschwand. Ich beneide sie.
    Ahmose ging eine Stunde später zu Bett. »Jenseits der Mauern tut sich einiges«, erzählte er dem schlaftrunkenen Kamose. »Sie schlagen bereits die Zelte ab und beladen die Esel. Der König möchte früh aufbrechen.«
    »Gut«, murmelte Kamose, ehe er sich umdrehte. »Dann kann ich meine Zimmer wiederhaben, falls sie nicht von Setiu-Weihrauch verpestet sind.«
    Zwei Stunden nach dem Morgengrauen versammelte sich die Familie hinten am Haus, um Tani zu verabschieden. Heket begleitete sie aus freien Stücken und war jetzt emsig beschäftigt, ihrer Herrin den warmen Umhang höher über die Schultern zu ziehen und sicherzustellen, dass in der bereits wartenden Sänfte, deren Träger schweigend daneben standen, genügend Kissen lagen. General Pezedchu höchstpersönlich war zur Bewachung Tanis abgestellt worden, und er sah zu, wie die Familie sie noch einmal umarmte, während sich seine Soldaten in Reih und Glied aufstellten. Die Ebene dahinter, wo die meisten Zelte für die Höflinge gestanden hatten, war vollkommen aufgewühlt. Tote Blumen, zerbrochene Krüge, eine abgebrochene Zeltstange, ein paar Fetzen farbiges Leinen flatterten verloren in der leichten Morgenbrise und wehten bis zum Rand des Exerzierplatzes. Die Kasernen lagen ohne Leben.
    Die Karawane zog sich gen Norden. Esel standen geduldig mit gesenktem Kopf. Hunde liefen ihnen zwischen den Beinen herum und beschnüffelten die bereits zugezogenen Sänften. Soldaten und Diener überprüften ihre Ausrüstung und wechselten knappe Bemerkungen. Der König oder sein unmittelbares Gefolge ließen sich nirgendwo blicken. Niemand hatte sich von der Familie verabschiedet oder sich förmlich für die Gastfreundschaft bedankt. Das Urteil war gesprochen, sie waren bereits vergessen.
    Pezedchu winkte, Tanis Träger richteten sich auf und machten sich bereit, die Sänfte hochzuheben. Einer nach dem anderen umarmte sie, küsste sie auf die kalten Lippen, blickte ihr in die stumpfen Augen und lächelte falsch und aufmunternd, während jeder den uralten Reisesegen sprach: »Mögen deine Sohlen festen Tritt finden.« Ihre Habe war eiligst auf die Esel gepackt worden, doch jeder drückte ihr ein Geschenk in die Hand, bis sie sich schließlich abwandte und zwischen die Kissen der Sänfte kletterte. Heket wollte auch einsteigen, doch Pezedchu vertrat ihr den Weg. »Du nicht«, sagte er grob. »Du gehst zu Fuß.« Tani beugte sich aus der Sänfte.
    »Sie bleibt bei mir«, sagte sie mit Nachdruck, »oder ich kreische und mache einen Aufstand, dass du mich in der Sänfte anketten musst.« Mit schmalen Lippen trat der General zurück, und Heket kletterte zu Tani. Die Träger bückten sich, das Beförderungsmittel wurde hochgehoben, die Soldaten trabten

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