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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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unternehme gar nichts. Schließlich ist es dein Leben, das ich in Gefahr bringe, und das tue ich nicht ohne deine Erlaubnis.« Ihre Finger schlossen sich um seine Handgelenke, doch sie blickte ihn nicht an. Im zunehmenden Dämmer des Zeltes sah er, dass sie die Stirn kräuselte.
    »Glaubst du, dass Apophis mich zur Vergeltung hinrichten lässt?«, fragte sie nach einem Weilchen. Kamose seufzte. »Ich weiß es nicht. Er ist unter seiner ganzen Überheblichkeit unsicher, und unsichere Menschen neigen zu unvorhersehbaren Reaktionen, aber er ist auch abartig empfindlich, was die Gefühle seiner Untertanen angeht.«
    »Dann besteht die Möglichkeit, dass er zögert, dass er die Missbilligung des Adels fürchtet?«
    »Ich glaube schon.« Seine Hände glitten ihre Arme hinunter, eine fast sinnliche Geste, und sie küsste ihn mit bebendem Mund, ehe sie ihn fortschob.
    »Dann wage den Wurf, lieber Bruder. Wenn ich im Palast von Auaris sitze, ist mir der Gedanke, dass du tot bist, lieber als der, dass du das Leben eines gemeinen Soldaten führst, Hunger und Durst leidest und schläfst, wo immer es geht, umgeben von Fremden, und dass du dich an unsere Gesichter zu erinnern versuchst, während die Jahre vergehen …« Die Stimme versagte ihr.
    »So stelle ich mir das auch vor, euch alle«, erwiderte Kamose harsch. »Ahmose, wie er unter der kuschitischen Sonne leidet und von ihr verbrennt, Großmutter von Tag zu Tag schwächer wird, während man sie zwingt, Brot zu backen oder zu weben. Aahmes-nofretari und ihr kleiner Sohn dazu verurteilt, in einer Händlerfamilie zu leben, und Mutter dazu erniedrigt, als bescheidene Dienerin oder bestenfalls als unerwünschte Gefährtin ihrer Verwandten im eigenen Heim kaum geduldet dahinzuvegetieren. Wir könnten es schaffen, Tani, wir alle. Aber der Gedanke, dass die Erinnerungen verblassen, dass die Gewöhnung mit jedem Tag leichter fällt, bis wir allmählich die Farbe unserer Umgebung annehmen, dass wir vergessen, dass wir alles hinnehmen … Nein. Solch ein Ende ist nichts für uns. Dann lieber tot.« Sie hatte sich etwas gefasst.
    »Wann bricht der König auf?«
    »Morgen früh. Du musst tapfer sein, Tani. Bist du dir sicher?«
    »Ja«, sagte sie mit rührender Entschlossenheit. »Ich bin mir sicher. Zieh noch einmal in den Krieg, Kamose. Vielleicht schließt mich der König ja wirklich ins Herz und zögert, mich umzubringen. Vielleicht gewinnst du auch.« Kamose dachte, dass sie trotz ihres bekundeten Verlangens weiterzuleben ein Leben ohne Ramose trostlos und fast unerträglich fand und dass seine Pläne ihr wenig bedeuteten. Sie hat genauso viel gelitten wie jeder von uns, vielleicht mehr, dachte er resigniert. Ihr Schicksal ist nicht gerecht. »Es ist mein letzter Abend mit euch allen«, sagte sie gerade. »Ich möchte, dass wir zusammen hier in meinem Zelt speisen. Überlassen wir den Empfangssaal den nördlichen Fremdländern. Ein Zelt passt ohnedies besser zu Kindern der Wüste.« Er stand unbeholfen auf.
    »Ich sorge dafür«, versprach er. »Und, Tani, erwähne meine Pläne nicht den anderen gegenüber. Du bist die Einzige, die bislang davon weiß.« Sie nickte und spielte schon wieder mit den Spielsteinen des Hund-und-Schakal-Spiels herum. Er schob sich aus dem Zelt und trat in das zunehmende Zwielicht.
    Kamose bat nicht um Erlaubnis, ob sie gesondert speisen durften. Er teilte Nehmen lediglich mit, was die Familie vorhatte, und nach kurzem Zögern willigte der Oberhofmeister ein. Uni wurde gebeten, für Essen und Diener zu sorgen, und eine Stunde nach Sonnenuntergang bewegte sich ein kleiner Zug von den Küchen zu Tanis Zelt und brachte Speisen und Wein. Der Garten war mittlerweile leer. Lärm vom Zechgelage im Saal kam stoßweise durch die geöffnete Zeltklappe geweht, während Uni und Isis, Hetepet, Heket und das übrige Gefolge der Familie das Zelt mit würzigen Düften und gestutzten Lampen füllten und sich bückten, um ihren Gebietern aufzutragen. Draußen im Gras saß ihr Harfenspieler und spielte leise.
    Tani hatte darum gebeten, dass Behek bei ihnen sein durfte. Er lag neben ihr, japste vernehmlich und freute sich über die Bissen, die sie ihm zukommen ließ. Von Zeit zu Zeit schloss sie ihn heftig in die Arme und drückte den grauen, mächtigen Hund. Sie beteiligte sich nicht an der sporadischen Unterhaltung rings um sie, sondern lauschte nur und lächelte, doch Kamose wusste, dass sie sich jede Einzelheit einprägte, damit sie etwas für die lange Reise nach Norden

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