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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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scharten und viele vor Seqenenres Sarg auf die Knie fielen und zu trauern begannen, ging Si-Amun zum Anleger und forderte zwei flache Barken an, die sonst Getreide ins Delta brachten, und dazu Steuerleute und Ruderer. Er ließ Kamose und seinen Vater an Bord einer Barke bringen und den Rest der Soldaten und die erforderlichen Vorräte an Bord der anderen. Der Fluss hatte fast seinen niedrigsten Stand erreicht und kaum noch Strömung.
    Etliche Hauptleute ließ man zurück, damit sie für die Rückkehr der Esel sorgten. Si-Amun setzte sich erleichtert auf den Boden der Barke, und als diese ablegte, befahl er, Sonnensegel zu errichten. Erst dann übermannte ihn die Müdigkeit und er konnte sich hinlegen. Diener machten sich daran, Wasser für den Nachmittag zu verteilen. Si-Amun sah, dass sie näher kamen, aber ehe sie ihm einen Becher anbieten konnten, war er bereits eingeschlafen.
    Am Mittag des zehnten Tages bogen sie um die vertraute Biegung, und da kam Waset in Sicht. Si-Amun und Kamose, der neben ihm ruhte, sahen schweigend zu. Boote jeglicher Art lagen noch immer an dem lang gezogenen Anleger der Stadt. Unter Palmen drängten sich noch immer planlos Hütten und Häuser, streunende Hunde lagen im Schatten und nackte braune Kinder kauerten im Dreck. Die Sonne stand im Zenit und brachte die glatten Seiten des Tempelpylonen zum Schimmern, der noch immer mit Fahnenmasten geschmückt war, an denen sich die dreieckigen Fahnen kräuselten, und dahinter zeichnete sich der Tempel hart vor dem Blau des Himmels ab. Am Westufer flimmerten im Hitzedunst die ausgezackten, hoch getürmten Felsen, dieser ungleichmäßige Horizont, der Si-Amun so vertraut und teuer war wie die Umrisse seines eigenen Körpers.
    Die Barke wurde langsamer, und auf Befehl des Steuermanns bog sie zur Bootstreppe der Familie ab. Der alte Palast duckte sich noch immer verschlafen und geheimnisvoll hinter seinen bröckelnden Mauern, und daneben so lieb, so schmerzlich, so wehmütig teuer die Buschgruppen, jetzt jedoch kahl und ohne Blüten, die Sykomoren und der Laubengang mit den Weintrauben, der den Pfad zwischen Garten und Teich beschattete, und der nicht sichtbare Vorbau von Seqenenres niedrigem, weitläufigem, friedlichem Hafen. Si-Amun verschlang jede schäbige, fröhliche Einzelheit mit den Augen und spürte, wie sich ihm die Kehle vor Rührung zuschnürte. »Es ist, als wären wir jahrelang fort gewesen und unvorstellbar gealtert«, sagte Kamose neben ihm. Si-Amun nickte, es hatte ihn übermannt.
    Jetzt konnte er eine Gestalt auf dem Pflaster am Kopf der Bootstreppe ausmachen, jemand, der ganz außer sich herumtanzte. Es war Tani mit auf und ab rutschenden Bronzearmbändern und in einem langen, weißen Hemdkleid, das ihr der Wind an die Beine drückte. Si-Amun wäre am liebsten auf der Stelle gestorben, nur damit er seiner Schwester nicht in die fragenden Augen blicken musste.
    Die Barke stieß an die Stufen. Diener tauchten hinter Tani auf, kamen herbeigelaufen, um sie zu vertäuen. Die Laufplanke wurde ausgelegt. Si-Amun stand auf, und Tani warf sich in seine Arme. »Ich habe jeden Tag Ausschau gehalten, seit keine Rollen mehr gekommen sind«, rief sie. »Großmutter hat das Dach gewählt, weil sie von dort den Fluss besser einsehen kann. Mutter hat die Nachmittage im Gebet verbracht. Ach, Si-Amun!« Sie drückte ihn an sich, ohne etwas von ihrer Umgebung wahrzunehmen. Nach einem Weilchen machte er sich los.
    »Tani«, sagte er. »Wo ist Ahmose?« Bei seinen Worten verflog ihre Begeisterung. Ihr Blick fiel auf die Barke, blieb an Kamose hängen, und dann ging sie zu ihm und kniete sich neben ihn. Ihre Hand fuhr zu dem blutigen Verband unter seinem Arm und zu den geschwollenen Stichen auf seiner Wange. Sie war blass geworden.
    »Wir haben verloren, nicht wahr?«, flüsterte sie. »Wo ist Vater?«
    »Ja, wir haben verloren«, sagte Kamose fest. »Vermutlich hätten wir ohnedies verloren, liebe Tani, aber wir sind sehr früh verraten worden. Vater ist tot. Sein Leichnam ist dahinten.« Sein Blick fuhr zu der groben Holzkiste, und Tani wäre hingestürzt, wenn Kamose nicht ihre Hand gepackt hätte. »Nein«, sagte er. »Das ist kein Anblick für dich. Geh und hol Ahmose.« Betäubt stand sie auf und verließ die Barke, aber sie ging wie in Trance. Si-Amun wusste, dass der Schreck sie noch nicht erreicht hatte. Er rief einen der Diener herbei, die am Ufer auf Anweisungen warteten.
    »Lauf zum Haus des Todes und hol Sem-Priester!«
    Als man Kamose

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