Der fremde Pharao
finden«, flüsterte Kamose. »Er muss einbalsamiert und heim ins Haus des Todes gebracht werden. Sonst, bei dieser Hitze …« Er beendete den Satz nicht. Hor-Aha fieberte und murmelte bereits wirres Zeug. Si-Amun trieb einen Umhang auf und versuchte, ihn damit vor der Sonne zu schützen.
Der Tag verging ihnen entsetzlich langsam. Si-Amun ging zu Kamose und legte sich neben ihn. Kamose wandte ihm den Kopf zu und lächelte matt. »Wir konnten nicht Seite an Seite kämpfen, wie ich gehofft hatte«, flüsterte er. »Si-Amun, wir stehen uns nicht mehr so nahe wie früher. Ich bin so böse.«
»Es ist nicht deine Schuld«, versicherte Si-Amun. »Versuch zu schlafen, Kamose. Dabei vergeht die Zeit schneller.«
Mit einem unverschämten Mangel an Eile erreichte Re den Zenit und wanderte nach Westen. Auf der Ebene sangen und lachten die siegreichen Soldaten, während sie gemächlich ihr Abendessen kochten, ihre verschmutzten Waffen reinigten und ihre Wunden pflegten. Die Männer in ihrem Versteck empfanden die hereinbrechende Dunkelheit als Gnade und wurden wieder lebendig. Hor-Aha war schwach, aber bei Sinnen. Endlich wurden unten die Feuer gelöscht, die Streitwagen angespannt, und die Männer formierten sich in Marschordnung. Si-Amun beobachtete ihr geschäftiges Treiben, bis die Sonne hinter ihm versank. Stille kehrte auf der Ebene ein. Im letzten rosa Abendsonnenschein rollte ein Streitwagen auf die Felsen zu und hielt. Seine Seiten waren aus poliertem Gold, in das ein Bildnis Sutechs mit den spitzen Ohren, der langen Schnauze, dem wölfischen Grinsen und den Setiu-Bändern gehämmert war. Neben dem Streitwagen lief ein Soldat mit einem Horn her. Auf einen Wink des Mannes im Streitwagen hin setzte er es an und blies. Harsch und klagend hallte der Ton von den Felsen wider. Pezedchu hob den Arm, und Si-Amun sah, wie sein dunkler, mit Kohl umrandeter Blick über die Felswände schweifte.
»Stolze Fürsten von Waset!«, rief der General mit kräftiger Stimme spöttisch und triumphierend. »Der Herr der Zwei Länder hat euren Hochverrat mit Tod beantwortet. Er ist mächtig! Er ist unbesiegbar! Er ist der Geliebte des Seth! Kriecht nach Haus, wenn ihr könnt, und leckt in Schimpf und Schande eure Wunden. Denkt über eure Torheit und die Gnade des Königs nach, denn er schenkt euch das Leben. Leben, Gesundheit und Wohlstand ihm, der wie Re ewig lebt!«
Kamose stöhnte. Si-Amun sah zu und lauschte mit wild hämmerndem Herzen. Pezedchu ließ den Arm sinken. Der Streitwagen rollte fort. Hinter ihm setzte sich Apophis’ Armee in Bewegung, ein schwerfälliger Heerwurm, der in die Abenddämmerung hineinzog. Si-Amun sah dem Abzug zu. Es dauerte lange. Ehe sich wieder die gewohnte Stille über die Ebene gesenkt hatte, die nichts störte als der Schrei einer jagenden Eule und das Geraschel der Mäuse am Fluss, war es Nacht geworden.
Die Männer wagten lange nicht, sich zu bewegen. Dann stand Si-Amun auf und streckte sich. Seine Lippen waren rissig, seine Zunge geschwollen. »Ich will versuchen, den Nachschub und den Arzt zu holen«, sagte er. »Ihr beiden«, und damit deutete er auf zwei Hauptleute, »ihr kommt mit. Ein anderer geht zum Fluss und holt Wasser. Hast du etwas zum Füllen?« Einer zog einen Lederbeutel hervor. »Gut. Aber sei vorsichtig. Möglicherweise hat Pezedchu Späher zurückgelassen, die uns gefangen nehmen, sowie wir dieses Versteck verlassen. Andererseits bin ich mir sicher, dass er nicht genau weiß, wer überlebt hat, und einfach nur den Befehl des Königs ausführte, als er uns seine großspurige Rede gehalten hat. Kamose, bist du wach? Hörst du mich?« Aus dem Dunkel kam das schwache »Ja« seines Bruders. Si-Amun blickte zum Himmel. Bald würde der Mond aufgehen und ihm das Gehen erleichtern. Vorsichtig kletterte er aus der Mulde und schlängelte sich hinunter zur Ebene.
Zu dem Durchlass, den er suchte, war es nicht weit, und als er sich einen Weg durch die Überreste bahnte, die für Pezedchus Soldaten nicht wertvoll genug zum Mitnehmen gewesen waren, ging am östlichen Horizont der Mond auf und tastete sich mit hellen Fingern blindlings zum Fluss. Si-Amun hauchte ein Dankgebet und tauchte sogleich im Dunkel zwischen den Felsen unter.
Eine Stunde lang trabte er dahin, spürte nur noch seinen Durst und seinen Muskelkater, stolperte über spitze Steine, rutschte auf steinigen Stellen aus, bis er schließlich von weitem einen Esel wiehern hörte. Und irgendwann sah er zu seiner Linken, weit hinten auf
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