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Der fremde Tibeter

Titel: Der fremde Tibeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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mich vorher nicht um Rat gefragt.«
    »Irgendwie fällt es mir schwer zu glauben, Oberst, daß Sie die Kriecher nicht aufhalten könnten, falls Sie das wollten«, sagte Shan leise.
    An der Tür stieß jemand einen leisen, überraschten Fluch aus, und Shan sah gerade noch, wie Sergeant Feng sich auf den Exerzierplatz zurückzog.
    Tan schwieg. Sein wütender Blick veränderte sich nicht.
    »Der stellvertretende Ankläger Li hat mir ein Angebot gemacht«, eröffnete Shan ihm. »Er hat mir eine Gelegenheit aufgezeigt, alles zu seiner Zufriedenheit zu lösen.«
    »Ein Angebot?« wiederholte Tan unheilvoll.
    »Die Möglichkeit, alles zu einem hübschen kleinen Paket zu verschnüren. Er hat gesagt, Ankläger Jao habe in einem Korruptionsfall gegen Sie ermittelt. Deshalb hätten Sie Jao umbringen lassen. Er hat gesagt, falls ich gegen Sie aussagte, könnte er mich zu einem Helden machen.«
    Tans Augen verengten sich zu zwei bedrohlichen Schlitzen. Seine Hand schloß sich um die Zigarettenschachtel, die auf dem Tisch lag, und fing an, den Inhalt langsam zu zerquetschen. »Und wie lautet deine Absicht, Genosse?« Aus dem Päckchen rieselten Tabakkrümel.
    Shans Blick blieb völlig ungerührt. »Oberst, ich würde sagen, Sie sind gefühllos, eigensinnig, aufbrausend, manipulativ und ziemlich gefährlich.«
    Tan beugte sich vor. Er sah so aus, als würde er Shan jeden Moment an die Kehle springen.
    »Aber Sie sind nicht korrupt.«
    Tan blickte auf sein zerstörtes Päckchen Zigaretten. »Demnach hast du ihm nicht geglaubt.«
    Shan schüttelte langsam den Kopf. »Sie haben Li nie vertraut. Das ist der Grund, aus dem Sie mich mit diesem Fall beauftragt haben. Sie haben damit gerechnet, er könnte etwas Derartiges versuchen. Wieso?«
    »Weil er ein erbärmlicher Speichellecker der Partei ist.«
    Shan dachte eine Weile nach und seufzte. »Kein Lügen mehr, haben Sie gesagt.«
    Mit einer zornigen Geste wischte Tan die Schweinerei beiseite, die er auf dem Tisch angerichtet hatte. »Miss Lihua hat ihn vor ein paar Monaten dabei erwischt, wie er einen geheimen Bericht an das Parteibüro in Lhasa schicken wollte. Darin hat er sich darüber beklagt, daß Jao und ich inkompetent wären und keine Ahnung von modernen Verwaltungsmethoden hätten. Ferner wollte er darum ersuchen, uns zwangsweise in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen.«
    »Das hätten Sie mir auch schon früher erzählen können.«
    »Es handelt sich dabei doch wohl kaum um Beweismaterial in einem Mordfall.«
    Shan faltete die Hände und musterte sie. »Li ist darin verwickelt, ich weiß es. Es gibt keinen direkten Beweis. Aber bei allem, was er sagt und tut, hängt dieser Geruch an ihm.«
    »Geruch?«
    »Zum Beispiel der Grund für seine Reise nach Kham.«
    »Er ist nach Kham gereist, weil du dorthin wolltest.«
    »Nein, er ist mir nicht gefolgt. Er hat bereits vorher gespürt, daß ich der Wahrheit zu nahe kam. Li hat folgendes erkannt: Falls ich zu der Überzeugung gelangte, es könnte einen Zeugen geben, würde ich mich auf die Suche nach dieser Person machen. In Baltis Wohnung wollte Li uns einreden, Balti hätte das Auto gestohlen und wäre in irgendeine Stadt geflohen, um es dort zu verkaufen. Aber Li wußte es besser. Da er nicht sicher war, ob ich den Köder geschluckt hatte, mußte Li dringend nach Kham reisen, denn er wußte mit Sicherheit, daß Balti noch am Leben war. Was bedeutet, daß er ihn in jener Nacht hat weglaufen sehen. Oder daß der Mörder es ihm erzählt hat.«
    Der Oberst atmete tief durch. »Du sagst, es geht nicht nur um Li allein.« Er suchte in der zerdrückten Packung nach einer unbeschädigten Zigarette und warf die Schachtel dann angewidert zu Boden.
    »Da war noch etwas. Etwas, das er gesagt hat, als er mir das Angebot unterbreiten wollte. Falls ich mich kooperativ zeigte, würde er dafür sorgen, daß die Kriecher von der 404ten abgezogen werden.«
    »Unmöglich. Li hat keine Amtsgewalt über das Büro für Öffentliche Sicherheit.«
    »Ganz genau.« Shan ließ die Worte wirken. »Aber es würde reichen, wenn er die Unterstützung eines leitenden Offiziers des hiesigen Kommandos hätte. Vielleicht desselben Offiziers, der Leutnant Chang von der Grenze hergeholt hat.«
    In Tans Augen loderte plötzlich eine ganz andere Art von Feuer. »Was soll ich deiner Meinung nach tun?«
    »Lassen Sie Miss Lihua herkommen. Wir brauchen sie hier, um Auge in Auge mit ihr zu sprechen.«
    »Erledigt. Was noch?«
    »Die goldenen Schädel aus der Höhle. Ich

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