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Der fremde Tibeter

Titel: Der fremde Tibeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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nach draußen. »Ich bin in letzter Zeit so nervös. Aus völlig unerfindlichen Gründen bekomme ich Angst oder schlimme Vorahnungen.«
    »In welcher Hinsicht?« fragte Kincaid.
    »Es ist nichts Konkretes. Als würde dir nur für eine Sekunde ein fauler Gestank in die Nase steigen und gleich wieder verschwinden. Als würde etwas in der Luft liegen.« Sie schob seine Hand weg.
    »Alle sind nervös, seit die Kriecher angekommen sind«, sagte Kincaid. »Einen der Gefangenen haben sie schon getötet.« Shan bemerkte, daß der Amerikaner ein Stück Heidekraut in der Tasche trug.
    »Das können sie doch nicht tun, oder?« fragte Fowler. Ihre Stimme zitterte leicht. »Im Gefängnis. Luntok sagt, die Leute streiken, und die Kriecher hätten Maschinengewehre. Er sagt, es sei genauso wie früher. Er hat Angst. Sind Sie normalerweise auch dort...?«
    Warum fiel es ihm so schwer, mit Fowler über die 404te zu sprechen? Er riß sich von ihren grünen Augen los und schaute aus dem Fenster. Sie fuhren parallel zu einem breiten Flußlauf, der von Weiden gesäumt wurde. »Ich habe auch Angst«, sagte er. Kincaid hatte recht. Alle waren nervös.
    Sie fuhren an üppigen Gerstenfeldern vorbei. In der Nähe des Flusses war die Bewässerung kein Problem. »Wieso tun Sie das?« fragte Shan. »Wieso haben Sie angefangen, der UN zu helfen, indem Sie nach Artefakten suchen? Ist der Betrieb der Mine nicht schon schwierig genug?«
    »Weil es getan werden muß«, erwiderte Fowler ohne zu zögern.
    »Jemand anders könnte sich darum kümmern.«
    »Aber wir sind nun mal hier vor Ort.«
    »Das ist eines der Dinge, die mir Angst einjagen«, sagte Shan leise. »Ich fürchte, Sie sind sich der Gefahr nicht bewußt.«
    Fowler war beleidigt. »Glauben Sie, wir machen das aus Spaß?« Ihre Stimme wurde lauter, als Shan sie je zuvor erlebt hatte. »Damit wir damit angeben können, wenn wir nach Hause kommen?« Sie senkte den Blick, als habe sie dieser Ausbruch selbst überrascht. »Tut mir leid«, sagte sie leise. »Es ist nur so, daß Tibet einen irgendwie durchdringt. Alles ist so real hier. Viel realer als irgend etwas bei uns zu Hause.«
    Sie hatte das Wort zuvor schon benutzt, erinnerte Shan sich, und zwar als sie den Moment beschrieb, in dem sie Tamdins Hand zurückbrachte und das unheimliche Heulen einsetzte. Real.
    »Es ist wichtig hier«, schloß Fowler.
    »Wichtig?« fragte Shan.
    Sie drehte sich um und sah ihn an. Ihr Blick huschte unstet hin und her, als würde sie nach geeigneten Worten suchen, aber sie sagte nichts.
    »Wir leben hier sehr viel bewußter«, fuhr Kincaid fort, als ob er und Fowler schon oft über dieses Thema gesprochen hätten. »Bei uns zu Hause sitzt jeder nur auf dem Sofa und glotzt MTV Kauft Autos. Kauft Häuser. Hat eins Komma acht Kinder.«
    »MTV?« fragte Shan.
    »Ist egal. Drüben bei uns ist das Leben verschwendet. Man lebt dort lediglich von der Welt. Hier jedoch kann man in der Welt leben. Die Buddhisten haben acht heiße und acht kalte Höllen. Doch in Amerika hat man ein ganz neues Stadium erreicht. Das schlimmste. Ein Stadium, in dem jeder dazu verleitet wird, die eigene Seele zu ignorieren, indem man ihm einredet, er befände sich bereits im Himmel.«
    »Aber Sie haben doch bestimmt wichtige Bande nach Hause. Eine Familie.«
    »Kaum der Rede wert«, meinte Kincaid grinsend, als wäre er stolz darauf.
    Kaum der Rede wert, dachte Shan. Was hatte Fowler ihm doch gleich erzählt? Daß Kincaid die Firma leiten und einer der reichsten Männer Amerikas werden würde.
    »Meine Eltern und ich reden nicht viel miteinander.«
    »Keine Brüder oder Schwestern?«
    »Ich hatte einen Hund«, sagte Kincaid launig. Shan beneidete den Amerikaner um die Fähigkeit, so sorgenfrei zu sein. »Der Hund ist gestorben«, fügte Kincaid mit breitem Grinsen hinzu.
    »Aber zu Hause sind Sie reich«, merkte Shan unbeholfen an.
    Stirnrunzelnd warf Kincaid seiner Kollegin einen kurzen Blick zu, als wolle er sie dafür tadeln, daß sie zuviel geredet hatte. »Nicht mehr. Hab alles aufgegeben. Mein Vater ist reich. Ich schätze, irgendwann werde auch ich wieder reich sein. Ich versuche, mich möglichst nicht davon beeinflussen zu lassen. Reichtum verschafft einem kein Zuhause. Reichtum verhilft einem auch nicht zu Seelenfrieden.« Ein weiterer Seitenblick zu Fowler, diesmal eher hoffnungsvoll. »Verdammt, ich fühle mich in Lhadrung weitaus mehr zu Hause als jemals zuvor in den Vereinigten Staaten.«
    Fowler deutete ein Lächeln an. »Die

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