Der fremde Tibeter
gelegen, seit sie Yeshe mit einem Stoß Fotokarten im Lager Jadefrühling zurückgelassen hatten. »Es heißt, Sie seien früher eine große Nummer in der Partei gewesen. Angeblich haben Sie sich mit dem Vorsitzenden angelegt und dabei verloren.«
»Es war nicht ganz so dramatisch.«
»Aber deswegen sind Sie doch hier, nicht wahr? Sie haben es mit den BDKs aufgenommen. Ihnen verdanken Sie den Knastaufenthalt, richtig?« fragte Kincaid im gleichen unbeschwerten Tonfall.
»Da muß jemand aber ein ziemlich unerfülltes Leben führen, daß er seine Zeit damit verschwendet, über mich zu reden.«
Fowler grinste und warf ihm einen Blick zu.
»Und Sie, Mr. Kincaid? Heilt Ihre Verletzung?«
Der Amerikaner hob den Arm, der immer noch mit einem großen Verband umwickelt war. »Ist bald wieder so gut wie neu. Höhenheilung ist eine prima Vorbereitung für die Klettertour auf den Chomolungma.«
»Wir sollten zuerst nach Gonggar fahren«, schlug Fowler vor. Sie wollten einige Proben der Lake zum Flughafen bringen, die man von dort aus weiter nach Hongkong transportieren würde.
Hinter Shan standen zwei große würfelförmige Holzkisten, in denen sich jeweils zwölf Zylinder aus rostfreiem Stahl befanden. Die Kisten dienten ihnen als Vorwand für die Fahrt.
»Da ist eine Jacke«, erklärte sie. »Mit dem Logo der Mine. Ziehen Sie sie an. Und am Flughafen helfen Sie uns einfach mit den Kisten, als würden Sie für uns arbeiten.«
»Aber sind Sie denn bevollmächtigt, danach weiter nach Lhasa zu fahren?« fragte Shan. »Vielleicht nimmt mich einer der Lastwagen als Anhalter mit.«
»Und wie kommen Sie zurück? Wie viele Lastwagenfahrer werden es wohl riskieren, einen Fremden ohne Papiere am Kontrollpunkt zu verstecken? Wir statten einfach Jansen einen Besuch im UN-Büro ab. Ich möchte mit ihm über den Schädelschrein sprechen.«
»Ich wollte Sie bloß nicht darin verwickeln und dadurch weiteren Risiken aussetzen«, sagte Shan. »Sie riskieren ohnehin schon zuviel.«
»Ich will, daß diese Angelegenheit ein Ende findet«, sagte Fowler beinahe beschwörend. »Falls man Sie erwischt, ist es vielleicht nie vorbei.« Sie wandte sich nach hinten um. Da war wieder dieser gehetzte Gesichtsausdruck, der Shan an ihr aufgefallen war, nachdem sie die Hand des Dämons zurückgebracht hatte. »Gestern abend sind sie gekommen. Ich schätze, das war es, wovor Sie mich warnen wollten.«
»Wer ist gekommen?«
»Die Öffentliche Sicherheit. Nicht der Major. Tyler hat den Major angerufen, um sich zu beschweren. Es war eine Gruppe Techniker; zumindest sah es danach aus. Sie haben sich lediglich für die Computer interessiert und jede einzelne Festplatte und Diskette kontrolliert.«
»Eine große BDK-Show«, stellte Kincaid mit säuerlichem Grinsen fest. »Bloß um uns einzuschüchtern. Man weiß, daß wir Jansen helfen. Wir wissen, daß man es weiß. Wir wissen auch, daß man es unterbinden will. Man ist sich der Tatsache bewußt, daß man nicht zu nachdrücklich werden darf, denn ansonsten könnte die UN wirklich hellhörig werden und die Wachhunde auf den Plan rufen.«
»Die UN hat Wachhunde?«
»Menschenrechtsermittler.«
Shan dachte über das Wort nach. Menschenrechtsermittler, wiederholte er im stillen. Die Amerikaner benutzten dieses Wort so beiläufig. Sie kamen nicht aus einem anderen Teil der Welt. Sie mußten von einem ganz anderen Planeten stammen. Er sah aus dem Fenster und seufzte. »Was hat der Major gesagt, als Sie ihn angerufen haben?« fragte er.
»Ich konnte ihn nicht erreichen«, erwiderte Kincaid. »Er war angeblich mit Vorbereitungen für den Besuch der amerikanischen Touristen beschäftigt.«
»Einer von denen hat ziemlich viel geredet«, fuhr Fowler nervös fort. »Er hat mich immer wieder herausgefordert und mir ins Gesicht gesagt, wie sehr er die Amerikaner hassen würde. Er hat mich gefragt, ob ich wüßte, welche Strafe auf Spionage stünde. Die Todesstrafe, hat er behauptet, und zwar ohne jegliches Ansehen der Person.« Sie blickte zu Kincaid. »Niemand würde uns in so einem Fall beistehen. Nicht die UN. Niemand.«
Kincaid spürte ihren Blick und wandte sich ihr zu. Der Klang ihrer Stimme schien ihn irgendwie zu beunruhigen. »Es ist alles in Ordnung«, sagte er unsicher. »Uns wird nichts geschehen. Du weißt, daß es keine verdammten Spione gibt. Das sind bloß ihre verfluchten Spielchen.« Seine Hand glitt zu ihr herüber und legte sich auf ihr Bein.
»Ich weiß nicht«, sagte sie und sah dabei
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