Der fremde Tibeter
haben und dennoch den ganzen Weg hinaus zur Höhle gefahren sind. Ich dachte, der Direktor der Minen würde einfach anordnen, daß ich bei ihm zu erscheinen habe.«
Hu lächelte ausdruckslos. »Ich bringe Leutnant Chang das Fahren bei. Als Oberst Tan mir erzählt hat, wo Sie sich befinden..« Hu zuckte die Achseln. »Chang muß lernen, die Bergstraßen zu beherrschen.«
»Ist das auch der Grund für Ihr Erscheinen auf der Baustelle der 404ten an dem Tag, an dem die Leiche gefunden wurde?«
Hu seufzte und bemühte sich, seine Ungeduld zu unterdrücken. »Wir müssen aufpassen, daß keine Fehler geschehen.«
»In geologischer Hinsicht, vermute ich.«
Hu grinste. »Die Berghänge sind unsicher. Wir haben uns um die Straßen des Volkes zu kümmern.«
Shan war versucht, erneut zu fragen, ob Hu von Geologie sprach. »Genosse Direktor, würden Sie mich zum Oberst begleiten?« fragte er statt dessen.
Direktor Hus amüsierter Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Er warf Chang, der hinter ihnen aufgetaucht war, die Schlüssel zu und folgte Shan hinein.
Madame Ko begrüßte Shan mit einem Nicken und huschte in Tans verdunkeltes Büro. Die Augen des Oberst waren geschwollen. Er streckte sich. Shan schaute sich im Zimmer um. Auf dem Tisch neben seinem Schreibtisch lag ein zerknülltes Kissen.
»Oberst Tan, ich würde Direktor Hu gern eine Frage stellen.«
»Und deshalb hast du mich gestört?« knurrte Tan.
»Ich wollte das in Ihrer Gegenwart tun.«
Tan zündete sich eine Zigarette an und deutete auf Hu.
»Direktor Hu«, fragte Shan, »können Sie uns sagen, warum Sie die Erlaubnis der Amerikaner außer Kraft gesetzt haben?«
Hu sah Tan stirnrunzelnd an. »Er mischt sich in die Angelegenheiten des Ministeriums ein. Es ist kontraproduktiv, einen öffentlichen Dialog über unsere Schwierigkeiten mit der amerikanischen Mine zu beginnen.«
Tan nickte langsam. »Sie müssen nicht darauf antworten. Genosse Shan ist manchmal ein wenig übereifrig.« Er bedachte Shan mit einem tadelnden Blick.
»Könnten Sie uns dann vielleicht verraten, wo Sie in der Nacht von Ankläger Jaos Ermordung gewesen sind?« fragte Shan.
Der Direktor der Minen starrte Shan ungläubig an. Dann erschien ein breites Grinsen auf seinem Gesicht. Er wandte sich Tan zu und brach in Gelächter aus.
»Direktor Hu hat sich in meiner Gesellschaft befunden«, erklärte Tan mit einem kalten Lächeln. »Er hatte mich zum Abendessen zu sich eingeladen. Wir haben Schach gespielt und gutes chinesisches Bier getrunken.«
Hu lachte so laut, daß er kaum noch Luft bekam. »Ich muß jetzt los«, sagte er keuchend, salutierte spöttisch in Shans Richtung und ging zur Tür hinaus.
»Du hast Glück, daß er so gelassen ist«, warnte Tan. Er wirkte nicht im mindesten belustigt.
»Sagen Sie mir eines, Oberst. Ist die Schädelhöhle ein offizielles Projekt?«
»Natürlich. Du hast doch all die Soldaten dort gesehen. Eine große Unternehmung.«
»Ich meine, weiß Peking davon?«
Tan atmete den Rauch aus. »Das ist Sache des Ministeriums für Geologie.«
»Die Höhle ist voller kultureller Artefakte. Der eigentliche Einsatz wird von der Armee durchgeführt. Wie passen Hu und das Ministerium für Geologie dort hinein?«
»Sie haben die Höhle entdeckt. Aber sie haben nur wenig Personal. Als Verwalter des Bezirks habe ich die Unterstützung der Armee angeboten. Das ist für die Männer eine gute Feldübung.«
»Wer zieht einen Nutzen aus dem Gold?«
»Die Regierung.«
»Wer ist in diesem Fall die Regierung?«
»Ich weiß nicht, welche Dienststellen daran beteiligt sind. Mehrere Ministerien haben damit zu tun. Es gibt entsprechende Protokolle.«
»Wieviel erhält Ihr Büro?«
Diese Andeutung ließ Tan hochfahren. »Ich bin Soldat. Gold läßt Soldaten verweichlichen.«
Shan glaubte ihm, wenngleich nicht aus dem Grund, den Tan vorgab. Für einen Mann wie den Oberst war nicht Geld, sondern politischer Einfluß die Quelle der Macht.
»Vielleicht gibt es in der Regierung Leute, die nicht gutheißen würden, daß man Gräber plündert.«
»Und das heißt?«
»Wußten Sie, daß Ankläger Jao und Direktor Hu sich wegen der Höhle gestritten haben? Die Amerikanerin ist Zeugin einer solchen Auseinandersetzung geworden. Ich glaube, daß Hu daher versucht, sie aus dem Land zu vertreiben.«
Ein mattes Lächeln erschien auf Tans Gesicht. »Genosse, du irrst dich. Du weißt nicht, weswegen Hu und Jao sich gestritten haben.«
»Jao wollte, daß Hu mit dem aufhörte,
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