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Der fremde Tibeter

Titel: Der fremde Tibeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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automatischen Waffen. Viele gute Arbeiter der Regierung wurden geopfert. Die Dynamik der Zivilisation. Neu gegen Alt. Wissenschaft gegen Mythologie.«
    »Sprechen Sie von der Auseinandersetzung zwischen Chinesen und Tibetern?«
    »Genau. Es handelt sich um Fortschritt, das ist alles. Moderne landwirtschaftliche Techniken, Universitäten, fortschrittliche Medizin. Glauben Sie, die medizinische Entwicklung wäre kein Kampf gewesen? Ein Kampf gegen volkstümlichen Aberglauben und Zauberer. Früher ist hier jedes zweite Neugeborene gestorben. Jetzt überleben die Babys. Ist es das nicht wert, dafür zu kämpfen?«
    Womöglich nicht, wenn die Regierung dir nicht gestattet, Kinder zu bekommen, wollte Shan antworten. »Soll das heißen, Ankläger Jao sei ein Märtyrer für die Zivilisation gewesen?«
    »Aber gewiß. Wissen Sie, seine Familie wird einen Brief vom Staatsrat erhalten. Die Lektion liegt auf der Hand. Die Herausforderung besteht darin, den Leuten klarzumachen, diese Lehre zu begreifen.«
    »Den Leuten?«
    »Dieser Fall muß als Gelegenheit genutzt werden, der Bevölkerungsminderheit zu verdeutlichen, wie rückschrittlich ihr Verhalten ist.«
    »Und dazu möchten Sie mit Ihren Beweisen beitragen.«
    »Es ist meine Pflicht.« Hu griff in seine Tasche und holte ein gefaltetes Stück Papier hervor. »Das hier ist die Aussage eines Wachpostens, der an der Zufahrt zur Schädelhöhle stationiert war. In der Mordnacht wurde dort in der Nähe ein Mönch gesehen.«
    »Ein Mönch? Oder ein Mann, der wie ein Mönch gekleidet war?«
    »Es ist doch alles da. Die Beschreibung paßt auf diesen Sungpo.«
    Ein Mönch habe sich in der Nähe der Zufahrt verdächtig benommen, hatte der Posten geschrieben. Er sei mittelgroß und von normaler Statur gewesen, mit kahlgeschorenem Kopf. Er habe feindselig gewirkt und etwas in einem Stoffbeutel bei sich getragen. Der Soldat hatte die Aussage unterzeichnet. Gefreiter Meng Lau. Shan steckte das Blatt ein.
    »Wann hat der Wachposten diesen Mann gesehen?«
    Hu zuckte die Achseln. »Später. Nach dem Mord. Es ist abends passiert, nicht wahr?«
    »Wie nah war er dran? Es war Neumond. Ziemlich wenig Licht.«
    Hu seufzte ungeduldig. »Soldaten geben gute Zeugen ab, Genosse. Ich habe mit mehr Dankbarkeit gerechnet.«
    Als sie den Talgrund erreichten, erhöhte er das Tempo und lachte, weil Feng, Yeshe und Chang, die nach wie vor dicht hinter ihm blieben, in eine Staubwolke gehüllt wurden. »Sie haben gesagt, Sie hätten Fragen an mich, Genosse Inspektor?«
    »Hauptsächlich über die Sicherheitsvorkehrungen. Und wie jemand nachts in die Höhle gelangen konnte«, erwiderte Shan.
    »Nach der Entdeckung der Höhle haben wir zunächst Wachen direkt am Eingang aufgestellt. Aber nachdem die Leute erfahren hatten, was sich dort drinnen befindet, wurde es ihnen zu unheimlich. Also haben wir ein Kommando an der Zufahrt postiert. Es ist der einzige Weg, der dorthin führt, daher erschien es uns als hinreichende Maßnahme.«
    »Aber offenbar gibt es noch einen anderen Weg.«
    »Diese Mönche klettern wie die Eichhörnchen.«
    »Wer hat die Höhle ursprünglich entdeckt?«
    »Wir«, erwiderte Hu. »Ich habe Erkundungsteams.«
    »Demnach wurden auch die Mineralvorkommen der Amerikaner von Ihnen gefunden?«
    »Natürlich. Wir haben die notwendige Lizenz erteilt.«
    »Aber jetzt wollen Sie die Erlaubnis widerrufen.«
    Hu sah Shan verärgert an und bremste den Wagen ab. Sie hatten den Stadtrand von Lhadrung erreicht. »Ganz und gar nicht. Diskutiert wird lediglich die Betriebserlaubnis, die sicherstellt, daß sie sich an genau festgelegte Verwaltungsregulanen halten. Wir führen einen Dialog über die Art des Managements. Ich bin ein Freund dieser amerikanischen Firma.«
    »Meinen Sie mit >Management< bestimmte Führungskräfte?«
    »Die Art der Teichkonstruktion, die Erntetechnologie, die Spezifikation der Ausrüstung, der Energieverbrauch und auch die Methoden des Führungspersonals unterliegen allesamt gewissen Genehmigungskriterien. Weshalb fragen Sie?«
    »Falls Sie also wollen würden, daß eine bestimmte Führungsperson das Projekt verläßt, könnten Sie einfach die Betriebserlaubnis außer Kraft setzen.«
    Direktor Hu lachte. »Und ich dachte, Ihr Interesse für Geologie würde sich auf das Schleppen von Steinen beschränken.«
    Shan wog seine Worte sorgfältig ab, während sie vor dem Gebäude der Bezirksverwaltung parkten. »Ich finde es interessant, daß Sie von meinem Status als Sträfling gewußt

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