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Der fremde Tibeter

Titel: Der fremde Tibeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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Morduntersuchung beschäftigt bin, baue ich Straßen«, gestand er. »In einer Arbeitsbrigade, wie es so schön heißt.«
    Fowler hob die Hand vor den Mund. »Mein Gott«, flüsterte sie. »In einem dieser schrecklichen Gefängnisse?« Sie wandte den Blick ab und schaute zu den Dämonen. Als sie wieder das Wort ergriff, glänzten ihre Augen feucht. »Es tut mir so leid. Ich bin solch eine Närrin.«
    »Ein sehr hochstehender Parteifunktionär hat einmal zu mir gesagt, es gäbe in meinem Land nur zwei Sorten von Leuten«, sagte Shan. »Herren und Sklaven. Ich bin anderer Ansicht, und ich fände es betrüblich, falls Sie dieser Meinung wären.«
    Fowler lächelte zaghaft. »Aber weshalb führen Sie dann diese Ermittlungen durch?«
    »Das war mein Beruf, bevor ich zum Straßenarbeiter befördert wurde. Ich war Untersuchungsbeamter in Peking.«
    »Aber Sie bieten Tan die Stirn, ich habe es selbst gesehen. Er ist doch Ihr...«
    Shan hob abwehrend eine Hand. Er wollte das nächste Wort nicht hören. Womöglich Gefängniswärter? Oder sogar Sklavenhalter? »Vielleicht gerade deswegen - weil er mir nichts Schlimmeres mehr antun kann.« Das war die Art von Halbwahrheit, die eine Amerikanerin vermutlich glauben würde.
    »Und deshalb werden Sie auch nicht beweisen, daß Jao von diesem Mönch ermordet wurde?«
    »Ich kann nicht. Der Mönch ist unschuldig.«
    Fowler starrte ihn an. Vielleicht wußte sie zuviel über China, um eine solch kategorische Behauptung zu akzeptieren, dachte Shan.
    »Aber was geht hier vor sich? Sie kommen hier wie ein Dieb angeschlichen. Li führt auch eine Untersuchung durch, ist aber nicht bei Ihnen. Wovor hat Tan solche Angst?«
    Demnach verstand sie mehr von China, als Shan erwartet hatte. »Ich bin im Hinblick auf Ihre Person auch ein wenig verwirrt, Miss Fowler«, entgegnete er. »Sie sind die Projektleiterin, aber Sie haben gesagt, die Firma sei Eigentum von Mr. Kincaids Vater.«
    Die Amerikanerin wirkte belustigt. »Das ist eine lange Geschichte. Im wesentlichen läuft es auf folgendes hinaus: Die Tatsache, daß Tylers Vater der Firmenchef ist, bedeutet nicht automatisch, daß die beiden gut miteinander auskommen.«
    »Sie stehen sich nicht nahe? Soll das heißen, Tibet ist eine Art Strafe für ihn?«
    »Wissen Sie, was ein Aussteiger ist? Tyler hat Bergbau studiert, ganz wie die Familie wollte, damit er eines Tages die Firma übernehmen könnte. Doch nach dem Abschluß verkündete er, er lege eigentlich gar keinen Wert darauf, denn die Firma schädige die Umwelt und trage zur Verarmung der örtlichen Bevölkerungen bei. Dann hat er mehrere hunderttausend Dollar seines Treuhandvermögens für eine Ranch in Kalifornien ausgegeben, dort ein paar Jahre gelebt und sie dann einer Tierschutzgruppe überlassen, die den Bau einer neuen Mine blockierte, die sein Vater errichten wollte. Es hat einige Jahre gedauert, bis die Wogen sich so weit geglättet hatten, daß die beiden überhaupt wieder ein Wort miteinander wechselten, und dann noch ein paar Jahre, bis Tyler einverstanden war, für die Firma zu arbeiten. Aber sein Vater blieb so mißtrauisch, daß er ihm keine leitende Position überlassen wollte. Immerhin, die beiden reden wieder miteinander. Tyler hat wirklich vor, ein neues Leben zu beginnen, und er ist ein verdammt guter Ingenieur. Eines Tages wird er der Präsident der Gesellschaft und damit einer der reichsten Männer Amerikas sein.«
    »Und Sie? Sie sind ziemlich jung für einen solch verantwortungsvollen Posten.«
    »Jung?« Fowler schüttelte langsam den Kopf und seufzte. »Ich habe mich schon lange nicht mehr jung gefühlt.« Sie blieb stehen und schaute nach vorn. Der Gang führte in eine weitere Kammer. »Ich schätze, ich bin das genaue Gegenteil von Tyler. Ich hatte nie Geld, aber ich habe hart gearbeitet, viel gespart und Stipendien erhalten. Zehn Jahre lang habe ich geschuftet wie ein Pferd, um diesen Punkt zu erreichen.«
    »Und dann haben Sie sich für Tibet entschieden?«
    Sie zuckte die Achseln und ging weiter. »Es ist nicht das, was ich erwartet habe.«
    Die Malereien in der Kammer zeigten verschiedene tibetische Landschaften, Bilder von Bergen, Palästen und Schreinen. An einem Ende des Raums waren Knochenstücke und ein Dutzend Schädel in Form eines Dreiecks auf dem Boden angeordnet. Keine fünf Meter davon entfernt lagen mehrere Schädel in einer Reihe. Daneben fanden sich Stiefel ab drücke und Zigarettenkippen. Die Soldaten hatten Bowling gespielt.
    Fowler nahm einen

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