Der freundliche Mr Crippen | Roman
entzückendes Haus.«
»Kommt mir ein bisschen eng vor«, murmelte er. »Bist du sicher, diese Leute sind von unserem Stand?«
»Nun,
ihn
kenne ich nicht«, gab sie zu. »Aber Cora ist eine reizende Frau. Du könntest dir keine kultiviertere, elegantere Lady wünschen. Perfekte Umgangsformen. Entzückend. Ich bin sicher, du magst sie, und er ist schließlich Arzt.«
»Ich hasse Ärzte«, sagte Andrew. »Sie sehen dich immer an, als müsstest du im nächsten Augenblick umfallen und vor ihnen zusammenbrechen. Ich halte nichts von ihnen. Wenn du stirbst, dann stirbst du. Daran lässt sich nichts ändern. Es hat keinen Sinn, es zu versuchen.«
»Natürlich, Liebster. Oh, sieh dir nur die arme, unglückliche Frau an«, sagte sie mit einem Blick auf die näher kommende Ethel. »Diese Narbe auf der Lippe. Ich wette, sie trinkt.«
»Warum?«, fragte Andrew verblüfft und amüsiert.
»Wahrscheinlich hatte sie getrunken, es war zu viel, und sie ist gestürzt und hat sich die Lippe aufgeschlagen. Sie sieht ziemlich gewöhnlich aus, meinst du nicht?«
Er drehte sich ganz in Ethels Richtung, aber da war sie schon da und überraschte die beiden damit, dass sie offenbar ebenfalls eingeladen war.
Alec Heath kämpfte sich aus dem Bett und stand laut gähnend auf. Er war vor ein, zwei Stunden eingeschlafen, obwohl er doch vor dem Essen noch ein Bad nehmen wollte. In der letzten Nacht war es spät geworden, weil er mit einer der Tänzerinnen vom Majestic ausgegangen war, was Cora ernsthaft verletzt hatte. Bis zwei Uhr morgens hatte sie auf ihn gewartet. Endlich hatte sie erschöpft aufgegeben und war zu Bett gegangen, wo sie wach lag und auf seinen Schlüssel in der Tür lauschte, den sie zwei Stunden später endlich vernahm. Er war mit der Kleinen ein Bier trinken gegangen, und das Mädchen hatte ihn anschließend in eine Bar mitgenommen, wo es, wie sie wusste, in den frühen Morgenstunden noch Whisky für Twopence das Glas gab. Betrunken hatte sie sich danach von ihm in eine dunkle, nasse Gasse ziehen lassen, wo er unter einer Laterne schnell mit ihr kopuliert hatte, bevor er nach Hause ging. Morgens um elf hatte er wieder bei der Arbeit sein müssen, da sie ein neues Bühnenbild bauten. Für das Mädchen hatte er keinen Blick mehr übrig, denn für was brauchte er sie jetzt noch? Alecs Plan war gewesen, vor dem Essen ausgiebig zu baden, um wieder frisch zu werden, stattdessen war er eingeschlafen. Egal, dachte er, knöpfte sich die Manschetten zu, griff nach seiner Krawatte und studierte sein ruppiges Erscheinungsbild im Spiegel. Er strich sich über die Bartstoppeln, die ein wenig zu lang waren für eine Abendgesellschaft, entschied sich aber gegen eine Rasur. Sie konnten ihn nehmen, wie er war, oder gar nicht. Er warf sich nur ein wenig Wasser aus der Rosenschüssel ins Gesicht und sagte sich, das reiche aus. Sein Magen knurrte. Er wollte sein Dinner.
Cora kam erst dann aus den Höhen ins Wohnzimmer hinabgeschwebt, als sie wusste, dass alle Gäste eingetroffen waren. Bis dahin hatte Hawley sie unterhalten müssen, und er hatte sein Bestes gegeben, während sie oben an der Tür des Schlafzimmers saß und zählte, wer unten ankam. Irgendwo hatte sie gelesen, dass die Gastgeberin einer intimen Dinnerparty nicht erscheinen solle, ehe nicht alle Gäste anwesend waren, und wollte dem nicht zuwiderhandeln für den Fall, dass die Nashs oder die Smythsons es bemerken und sie dafür verachten würden. Langsam schritt sie in ihrem neuen Kleid nach unten, das Haar hoch auf dem Kopf aufgetürmt, die Schultern nackt. Sie waren viel zu maskulin, zu breit und muskulös, um öffentlich zur Schau gestellt zu werden, aber dafür war sie immer schon blind gewesen. Jetzt bin ich eine Gastgeberin der guten Gesellschaft, dachte sie voller Glück. Sie drückte die Tür auf und trat mit einem starren Lächeln ein.
Das Essen war köstlich, Hawley erwies sich als ausgezeichneter Koch. Cora bestimmte das Gespräch und schwatzte während der ersten Stunde freundlich mit allen am Tisch, bis mehr Wein in ihr System drang und sie zunehmend beschwingte.
»Mexiko«, rief sie, nachdem sie von Andrew Nashs Plänen gehört hatte, seine Bergwerke dort mit einer unterirdischen Verbindung zu versehen. »Wie aufregend!«
»Das wird es«, sagte er, »obwohl es mit der eigentlichen Arbeit erst in acht Monaten losgeht.«
»Waren Sie schon da?«
Er schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Die Firma hat erst einmal Kundschafter und Ingenieure geschickt, um die
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