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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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jemanden von der Mannschaft und bat ihn, dem Inspector den Weg zu zeigen. »Eines noch, Inspector«, sagte Taylor, als sie sich zum Gehen wandten. »Was genau hat der Mann getan? Ich habe Gerüchte gehört, weiß aber nichts Genaues.«
    Dew zögerte. Natürlich war Crippen unschuldig, bis er überführt war, doch die Beweise waren erdrückend. »Er hat seine Frau umgebracht«, erklärte er. »Er hat sie umgebracht, zerstückelt und die einzelnen Teile unter den Bodenplatten in seinem Keller vergraben. Die Knochen hat er mit Säure übergossen, damit sie sich auflösten. Den Kopf haben wir noch nicht gefunden.«
    Taylor schnappte nach Luft. »Sie bekommen Ihren Tag, Inspector«, sagte er entschlossen. »Auch wenn ich die
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zu voller Leistung antreiben muss, Sie bekommen ihn. Wenn wir die
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bis Ende des Monats nicht in den Blick bekommen, werde ich das als mein persönliches Versagen betrachten.«
    Dew lächelte. Er war froh, den Mann auf seiner Seite zu wissen. »Ich danke Ihnen, Kapitän«, sagte er. »Ich setze ganz auf Sie.«

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    13  Die Abendgesellschaft
    London: 19 . Januar 1910
    In verschiedenen Londoner Stadtteilen bereiteten sich zehn unterschiedlich gespannte Menschen auf Cora Crippens Abendgesellschaft vor. Oben in ihrem Haus am Tavistock Square saß Mrs Louise Smythson an ihrem Ankleidetisch, sprühte sich etwas Parfüm auf den Hals und inspizierte die Haut unter ihren Augen auf Anzeichen des Alterns. Direkt unter dem Lid bildeten sich ganz eindeutig einige haarfeine, noch kaum sichtbare Fältchen, und Louise seufzte, wusste sie doch, dass das nur der Anfang war. Bald schon würden sie sich ausbreiten. Die Wangen würden einsinken, ihre Hände knotig und fleckig werden, die Beine bleich, von Venen durchzogen. Ihre Brüste würden ihre Fülle verlieren und nach unten sacken, und dann würde der Spiegel ein früher einmal guter Freund sein, den sie nicht länger sehen wollte. Sie konnte hören, wie ihr Mann Nicholas in seinem Ankleidezimmer nebenan vor sich hin pfiff.
    Die Einladung zum Essen hatte sie überrascht. Es sei ein besonderer Anlass, hatte Cora Crippen gesagt, ihr fünfzehnter Hochzeitstag, und das wolle sie feiern. Cora hatte die Einladung beim Treffen der Music Hall Ladies’ Guild in der vorangegangenen Woche ausgesprochen, und Louise hatte gleich zugesagt. Seit sie Cora kannte, hatte sie Dr. Crippen nur bei einer Handvoll Anlässe getroffen, sie kannte ihn kaum. Sie hielt ihn für einen Stockfisch, ohne jedes Talent für ein Gespräch in guter Gesellschaft, und kaum für einen angemessenen Tischnachbarn, doch er war Coras Mann, und so konnte sie ihre Kritik nicht laut äußern. Selbstverständlich wäre sie lieber in ein nobles Restaurant eingeladen worden, aber Cora hatte darauf bestanden, selbst zu kochen, was Louise äußerst merkwürdig vorkam und was sie dem exzentrischen Charme ihrer Freundin zurechnete. Sie hatte keine Ahnung, dass es für Cora nichts als eine finanzielle Notwendigkeit war, sich selbst an den Herd zu stellen. Louise sah auf die Uhr und ging nach nebenan, um ihren Mann zu holen. Es war Zeit aufzubrechen.
    Hawley Crippen war den ganzen Tag damit beschäftigt gewesen, Vorbereitungen für das Essen zu treffen. Cora hatte ihm erst zwei Abende zuvor davon erzählt, als sie ihm ihre Anweisungen gegeben hatte. Dass sie sich an ihren Hochzeitstag erinnerte und ihn sogar feiern wollte, hatte ihn überrascht, aber er erhob keine Einwände. Er wusste nur zu gut, dass sie es allein deshalb tat, um ihre Freundinnen zu beeindrucken und sich noch mehr in die Gesellschaft hineinzudrängen, der sie so unbedingt angehören wollte. Mit ihm hatte das alles nichts zu tun. Es war offensichtlich, dass Paare wie die Smythsons und die Nashs ihre Dinnereinladung irgendwann erwidern mussten, und da er und Cora noch nie von einem der beiden Paare eingeladen worden waren, wäre es ein beträchtlicher Coup für sie, wenn ihr das gelang.
    Er verharrte für einen Moment mitten in der Küche und ging durch die Liste in seinem Kopf. Der Tisch war gedeckt, der Wein stand auf der Anrichte, das Lamm brutzelte im Ofen, die Kartoffeln köchelten vor sich hin, und das Gemüse lag bereit, um im rechten Moment in den Topf gegeben zu werden. Den Teppich hatte er morgens gründlich gesäubert, wofür er fast zwei Stunden gebraucht hatte. Nicht gerade hilfreich war gewesen, dass Alec Heath mit völlig verdreckten Stiefeln hereingekommen war und seinen auf dem Boden knienden, sorgsam den

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