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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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sein können. Wie ich weiß, dass auch du es glaubst. Wir sind füreinander die einzige Chance, glücklich zu werden, und ich würde mit Freuden mein Leben für dich geben, wenn ich müsste. Ich hatte nur gehofft, du würdest mir genug vertrauen, um mir die Wahrheit zu sagen. Die ganze Reisezeit habe ich dir gegeben. Heute Morgen erst habe ich begriffen, dass du es für dich behalten würdest, und ich möchte keine Geheimnisse zwischen uns.«
    »An dem Tag, als Inspector Dew da war«, sagte sie, »und du draußen unter dem Baum standest. Da wusstest du Bescheid?«
    »Gezittert wie Espenlaub habe ich, weil es so kalt war im Regen, und ich musste so tun, als verstünde ich, warum du ihn allein sehen wolltest. Ich dachte die ganze Zeit, dass uns nur noch ein paar Tage blieben, um aus London zu verschwinden. Hättest du es nicht vorgeschlagen, hätte ich es getan. Wir haben immer in die gleiche Richtung gedacht, Ethel, nur, dass du es nicht wusstest. Wir sind gleich, du und ich. Es beweist, wie sehr wir zusammengehören.«
    Sie schluckte. Zum ersten Mal fühlte sie so etwas wie Schuld wegen dem, was sie getan hatte. Einem anderen Menschen das Leben zu nehmen. In ihrem Magen rumorte es, und sie spürte Übelkeit in sich aufsteigen. Sie dachte an die Art, wie sie die Tat begangen hatte, an ihre Gefühllosigkeit und die grausige Weise, wie sie sich der Leiche entledigt hatte. Das ist aus mir geworden? So etwas kann ich aus Liebe tun? Die Wände der Kabine schienen näher zusammenzurücken, und sie dachte, wenn sie noch einen Augenblick länger mit Hawley hier drinbliebe, müsste sie ohnmächtig werden. Sie stand auf, um auf Deck hinauszugehen, an die frische Luft, wurde aber durch ein Klopfen an der Tür aufgehalten. Hawley sah sich gereizt um.
    »Wer kann denn das jetzt sein?«, murmelte er. »Hallo?«
    »Mr Robinson, ich bin’s, der Erste Offizier, Carter«, rief es von draußen. »Kann ich Sie bitte kurz sprechen, Sir?«
    »Im Moment ist es etwas ungünstig«, rief Hawley. »Kann es nicht warten?« Er sah Ethel an und wurde sich bewusst, wie sehr sich ihr Gesicht verändert hatte. Sie schien sich nicht länger auf Kanada zu freuen, sondern sah aus, als fühlte sie sich betrogen. »Was ist?«, fragte er.
    »Ich fürchte, nein, Sir«, rief Carter. »Wenn Sie bitte die Tür öffnen könnten.«
    Er seufzte. »Ich erledige das wohl besser«, sagte er zu Ethel. »Bist du in Ordnung?«
    Sie zuckte mit den Schultern und zog ihre Perücke zurecht. »Jaja«, sagte sie mit völlig tonloser Stimme. »Lass uns in Kanada ankommen und dort alles besprechen.«
    Er sah sie an, und sein Gesicht füllte sich mit Sorge. »Ich habe das Richtige getan, oder?«, fragte er. »Dass ich es dir gesagt habe, meine ich.«
    »Ich nehme es an«, sagte sie und war völlig verunsichert.
    »Mr Robinson!«
    »Ich komme ja schon«, rief er und sagte zu Ethel gewandt: »Sehen wir, was er will. Wir reden hinterher weiter.«
    Er ging zur Tür und öffnete sie. »Ja?«, fragte er. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Es tut mir leid, dass ich störe, aber Kapitän Kendall möchte Sie sprechen.«
    »Geht das denn nicht später? Mein Sohn und ich sind mitten in einem wichtigen Gespräch.«
    Billy Carter blickte in die Kabine und sah Edmund Robinson dastehen, das Gesicht tränennass und völlig verloren, so als nehme er kaum etwas um sich herum wahr. Wie sehr er doch wie eine Frau aussieht, dachte Carter. Es war so offensichtlich. Hinweise darauf hatte es genug gegeben, dennoch war es ihm nie bewusst geworden. Alle nahmen an, dass Edmund Robinson ein junger Mann war, also hatte es so sein müssen.
    »Ich fürchte, nein, Sir«, sagte er. »Wenn Sie bitte mit mir kommen könnten.«
    Mr Robinson zögerte, sah ihn einen Moment lang unwillig an und gab dann nach. »Ich ziehe nur schnell meinen Mantel an«, sagte er und nahm ihn vom Haken hinter der Tür. »Ich bin gleich wieder da, Edmund. Wir reden später weiter.«
    Ethel nickte und sah zu, wie er hinausging. Zum ersten Mal, seit sie Hawley kannte, wusste sie nicht zu sagen, ob sie ihm trauen konnte, und wünschte sich tausend Meilen von diesem Ort weg. »Was habe ich getan?«, fragte sie sich laut. »Was habe ich getan?«
     
    Im Gang wurden sie von Mrs Antoinette Drake und ihrer Tochter Victoria aufgehalten, die Mr Robinson angewidert ansah, selbst noch, als sie stehen blieben, um mit dem Ersten Offizier zu sprechen.
    »Oh, einen guten Tag, Mr Carter«, sagte Mrs Drake. »Wie schön, Sie zu

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