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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Bis auf Weiteres fahren wir weiter mit vier Kesseln.«
    »Sehr gut, Sir«, sagte Carter enttäuscht. Er hatte gehofft, der Kapitän würde einer Erhöhung des Tempos zustimmen. Je eher sie in Quebec ankamen, desto eher konnte er ein Schiff zurück nach Antwerpen nehmen und seine Frau wiedersehen. Er zählte die Tage und dachte an wenig anderes als die bevorstehende Geburt seines Kindes. Wenn auch noch viel Zeit bis zum errechneten Termin war, machte er sich doch ständig Sorgen, dass sich die Umstände plötzlich gegen ihn wenden könnten und er die Geburt verpasste, was er sich – oder Kapitän Kendall – niemals verzeihen würde.
    Der Kapitän sah die Zahlen durch, die ihm sein Erster Offizier gegeben hatte, und billigte sie ohne ein Wort. »Sagen Sie, Mr Carter«, begann er.
    »Nennen Sie mich Billy, Sir. Genau wie alle anderen Kapitäne.«
    »Sagen Sie, Mr Carter«, wiederholte Kendall, der sich weigerte, diesen lächerlichen Namen auszusprechen. »Was halten Sie vom bisherigen Verlauf der Reise?«
    »Bisher? Es läuft sehr gut, Sir, würde ich sagen. Wir liegen bestens im Zeitplan und haben keinerlei Probleme mit …«
    »Was ist mit den Passagieren? Haben Sie zu denen etwas zu sagen?«
    »Nein, die scheinen mir ein lebhaftes Völkchen zu sein. Gestern Abend hatten wir unten ein Problem, aber Sie haben wahrscheinlich schon davon gehört?« Kendall schüttelte den Kopf, und Billy Carter fuhr fort: »Am Ende ist nicht wirklich etwas passiert, Gott sei Dank«, sagte er. »Eine junge Frau vom Zwischendeck, etwa neunzehn, zwanzig, Sir, saß allein draußen und rauchte eine Zigarette, und sie sagt, ein Bursche kam von hinten und zog sie in eines der Rettungsboote. Hielt ihr den Mund zu und versuchte, sich an ihr zu vergreifen. Sie sagt, er wollte Ernst machen, aber sie konnte ihm das Knie in die richtige Stelle rammen und ihn so außer Gefecht setzen. Seine Hose hing ihm um die Füße, und sie sagt, sie habe es fürchterlich knirschen hören. Er hat also wohl bekommen, was er verdient hat, würde ich sagen. Wahrscheinlich schmerzt es ihn immer noch zwischen den Beinen. Kaum mehr Luft hat er gekriegt, vermochte sich aber trotzdem aufzurappeln und davonzulaufen, bevor ihn jemand erkennen konnte.«
    Kendall zog die Brauen zusammen. Das war die Art tierischen Verhaltens, die er an Bord absolut nicht duldete. »Hat sie ihn beschrieben?«, fragte er. »Können wir ihn fassen?«
    »Das ist unwahrscheinlich. Sie sagt, er war nicht sehr groß und hatte noch etwas Jungenhaftes. Dafür war er aber ziemlich stark, wodurch er sie überwältigen konnte. Auf jeden Fall geht es ihr wieder gut. Gestern Abend stand sie noch etwas unter Schock, aber sie ist ein mutiges Mädchen, und es gefällt ihr, dass sie ihn hat abwehren können. Sie ist unten auf dem Zwischendeck zu einer Art Heldin geworden, soweit ich das beurteilen kann.«
    Der Kapitän schnaubte. Wenn diese jungen Dinger darauf bestanden, spätabends noch draußen zu sitzen und, schlimmer noch, zu rauchen, nun, dann forderten sie es heraus. Wenn es nach ihm ginge, würde er sie beide in die Arrestzelle sperren. »Lassen Sie einen zusätzlichen Mann nachts über die Decks patrouillieren«, sagte er, »und lassen Sie es mich wissen, wenn einer der Passagiere mit, sagen wir, heiklen Verletzungen zum Doktor kommt. So etwas ist nicht annehmbar.«
    »Verstehe, Sir.«
    »Sonst noch etwas zu den Passagieren?«, fragte Kendall möglichst beiläufig, um nichts von seinen Gedanken zu verraten.
    »Ich denke nicht, Sir. Alle anderen scheinen in bester Verfassung zu sein. Es gab keinen größeren Ärger sonst.«
    »Das war ein angenehmes Essen gestern Abend«, log der Kapitän, der es von Beginn bis Ende grässlich gefunden hatte. »Die Gästeliste war von Ihnen, richtig?«
    »Ja, Sir. Alles Erste-Klasse-Passagiere und natürlich Monsieur Zéla.«
    »Ach ja, der Franzose. Die Präsidentensuite. Ist ein bisschen ein Dandy, habe ich das Gefühl.«
    »Ein wohlhabender Dandy, Sir. Die mag ich am liebsten.«
    »Da bin ich sicher.«
    »Er ist ein angenehmer Mann, Sir. Hat immer ein freundliches Wort für die Mannschaft, wenn er spazieren geht.«
    »Und Mr Robinson und sein Sohn?«, unterbrach ihn Kendall. »Was halten Sie von denen?«
    Billy Carter verzog das Gesicht. »Ebenfalls angenehm, Sir«, sagte er. »Ein bisschen ruhig, vor allem der Vater. Aber sie sind in Ordnung. Haben bisher keinerlei Umstände gemacht, wenn Sie das meinen.«
    »Ich meine gar nichts, Mr Carter«, antwortete

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