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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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verlaufen. Sie befinden sich an einem sicheren Ort, und nun wissen wir auch, welches die Pläne unseres Terroristen sind: Angela Merkel umzubringen, die keine schlichte Touristin ist, sondern die deutsche Bundeskanzlerin. Würde das Attentat in Barcelona begangen, so würde der teuflische Plan die europäische Wirtschaft in ein Chaos verwandeln und nebenbei Schimpf und Schande über unsere Stadt und ihre Behörden bringen.»
    «Ich würde meinen Ohren nicht trauen», sagte der Swami, «wenn ich nicht selbst ein Glied der von Ihnen beschriebenen Kausalkette wäre. Was ich nicht verstehe, ist, warum wir hier so lange herumreden, anstatt die Polizei zu benachrichtigen, wie ich es zu tun versuchte, als Sie den Anruf unterbrachen und um ein Haar auch den Lauf meines nichtigen Lebens unterbrochen hätten.»
    «Na, na, Genosse Swami», sagte die Moski, «wäre es so nichtig gewesen, hättest du nicht vor lauter Schiss eine ganze Zeitung verschlungen.»
    «Und was die Polizei angeht», sagte ich, «so wäre es unnütz, sie zu benachrichtigen. Wer würde schon die unbegründeten Verdächtigungen eines Bonsaiswami, eines kurz vor dem Ruin stehenden Friseurs und einer Handvoll Straßenkünstler ernst nehmen?»
    Ich verschwieg die Möglichkeit, die Unterinspektorin Arrozales zu kontaktieren, die unsere Abenteuer vielleicht interessiert hätten. Davon hielt mich aber, wenigstens vorerst, die Überzeugung ab, dass Romulus der Schöne in das Mordprojekt involviert war oder involviert gewesen war, und dann war es meine Freundespflicht, ihn noch am Rande des Abgrunds zu retten, in den ihn seine Verantwortungslosigkeit zu stürzen drohte. Das in der Annahme, dass er noch lebte.
    «Stimmt», waren sich der Swami, die Moski und der Juli einig. «Aber wir können nicht mit den Händen im Schoß hier sitzenbleiben.»
    «Das werden wir auch nicht tun», sagte ich. «Etwas wird mir schon einfallen.»

12
VORBEREITUNGEN
    An mehreren Stellen waren die schwarzen Gewitterwolken aufgerissen, so dass man zwischen ihren Fetzen Sterne, Kometen, Galaxien, schwarze Löcher und weitere interessante Phänomene erkennen konnte; auf der Straße waren weder Fahrzeuge noch Fußgänger unterwegs; aus den Fenstern drangen nicht wie üblich die penetranten Stimmen von Radios, Fernsehern und Familienkrächen; die Geschäfte waren geschlossen und ihre Schaufenster und Leuchtreklamen erloschen, außer dem Neonlicht des chinesischen Warenhauses, das in der halbdunklen Stille der friedlichen Barceloneser Nacht flackerte und funkelte. Ich lehnte mich an den Türrahmen des Salons und begann die Situation abzuwägen, die Probleme zu fokussieren, wie man heute sagt, und einen realistischen Plan zu ihrer Lösung zu entwerfen. Aber ich hatte noch nicht einmal einen Anfang gemacht, als mich die Stimme des Swami unterbrach, der, in einem Frisierkittel steckend und die Füße jeweils in ein Tuch gewickelt, offenbar schon eine ganze Weile dastand, ohne dass ich ihn wahrgenommen hatte, und mich jetzt an seiner Anwesenheit teilhaben lassen wollte.
    «Störe ich?», fragte er sehr leise, als hätte die Lautstärke einen Einfluss auf das Ausmaß der Störung; und als ich nicht verneinte, aber auch kein ärgerliches Gesicht schnitt, fügte er hinzu: «Können Sie auch nicht schlafen?»
    «Ich kann», antwortete ich, «aber ich darf nicht.»
    «Mir geht es genau umgekehrt. Und es macht mir Angst, allein zu sein. Darum bin ich herausgekommen.»
    Er hatte recht, was das Alleinsein betraf: Schon vor ungefähr einer Stunde waren der Juli und die Moski abgezogen. Ohne weitere Gesellschaft als die gegenseitige hatten der Swami und ich uns in den am wenigsten verschlammten Ecken des Salons hingelegt und uns eine gute Nacht und glückliche Träume gewünscht. Ich wäre liebend gern eingeschlafen, hätten mich nicht die genannten Sorgen und Verantwortlichkeiten umgetrieben. Nach einigen Minuten glaubte ich, mein Gast sei eingeschlafen, stand auf und ging auf Zehenspitzen ins Freie. Jetzt hatte ich Gesellschaft.
    «Halten Sie mich nicht für einen Feigling», fuhr der Swami fort. «Grundsätzlich bin ich kaltblütig und tapfer. Aber gegen Schrecken dieses Ausmaßes bin ich nicht gewappnet. Meine Nerven sind im Eimer. Um sie zu beruhigen, habe ich Entspannungsübungen gemacht – beinahe hätte ich in die Hosen geschissen, aber von Schlafen keine Spur. Gewalt, Gefahr, Geheimnis, Gefühl ohne Zahl. Suche oder verdiene ich das etwa? Keineswegs. Ein Leben lang habe ich mich dafür aufgeopfert,

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