Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
Vom Netzwerk:
Wirkung ein, und von der Pfarrkirche her schlug es zwei Uhr, als er die Augen öffnete, einige Schnarcher von sich gab und fragte, wo er sei, wie es in solchen Fällen zu geschehen pflegt. Bevor er eine Antwort erhielt, bemerkte er die Einrichtung und das Friseurwerkzeug um sich herum und stellte fest, dass er sich in einem Damensalon befand. Da er sich für gestorben hielt und die Schwelle zur Ewigkeit überschritten zu haben glaubte, musste ihm dieser Anblick des Jenseits, nachdem er sein Leben der Meditation über esoterische Geheimnisse gewidmet hatte, ziemlich enttäuschend erscheinen. Wir klärten ihn über seinen körperlichen Zustand auf, versicherten ihm, dass er sich in Sicherheit befinde, wenigstens für den Moment, erklärten ihm, wo und wie wir ihn gefunden hatten, und baten ihn, uns zu berichten, was passiert war. Während ich mit ihm sprach, sah uns der Swami an, bald die einen, bald die andere, und meine Worte zerstreuten sein Misstrauen nicht. Schließlich heftete er den Blick auf mein Gesicht, studierte es ausführlich im von der Straße hereindringenden Licht – wir hatten es für unklug gehalten, eine Lampe anzuknipsen, um nicht unsere Anwesenheit um diese Zeit zu verraten – und rief:
    «Dieses Gesicht kenne ich! Sie sind der Inspektor, der vor einigen Tagen ins Zentrum gekommen ist. Und eben gestern habe ich Lavinia zum Friseur begleitet. Sie hat gesagt, sie wolle waschen und legen lassen. Ich musste eine ganze Weile warten, und dann kam sie genau so wieder heraus, wie sie hineingegangen war. Hum. Ich glaube, ich beginne klar zu sehen. Sagen Sie mir die Wahrheit, bin ich in eine Verschwörung verwickelt? Vielleicht in zwei? Täuschen Sie mich nicht, ich bin geistig darauf vorbereitet, die Wahrheit zu verkraften.»
    Ich bestätigte seine Folgerungen, beruhigte ihn aber mit der Versicherung, von den beiden Verschwörungen sei die unsere die gute. Wir seien Freunde von Lavinia und damit auch Freunde ihrer Freunde, unter denen der Swami eine herausragende Stellung einnehme. Mit wiedererlangtem Vertrauen und ermuntert durch diese Schmeichelei, begann er uns zu erzählen, was in den vorangegangenen Stunden und noch zuvor geschehen war.
    Seit einigen Tagen hatte er im Yogazentrum etwas Seltsames wahrzunehmen begonnen: kleine Veränderungen in der Anordnung der Gegenstände, Schwinden oder Verschwinden des einen oder anderen unbedeutenden, billigen Artikels, kurzum, Nichtigkeiten für jemanden, dessen Geist auf Dinge ausgerichtet ist, die weit entfernt sind von dem, was er selbst verächtlich Lappalien nannte. Dennoch achtete ein Teil seiner Sinne auf weltliche Details, deren Vernachlässigung den Untergang des Unternehmens bedeuten konnte. In einer anderen Jahreszeit wären solche Anomalien nicht bemerkt worden, denn da war ein ständiges Kommen und Gehen von Yoga- und Meditationsschülern, aber just im August fand kein Unterricht statt, es gab wenig Privatkonsultationen, und tatsächlich hatten in den letzten Wochen, abgesehen von meinem unangebrachten Besuch, nur die Sekretärin und der Swami selbst ihren Fuß ins Zentrum gesetzt; die beiden nutzten die freien Tage, um die Rechnungen à jour zu bringen und die nächste Meditations- und Yogasaison zu planen. Aus diesem Grund, sagte er, seien ihm die Anomalien aufgefallen. Auf die Bitte, ein Beispiel für die von ihm so genannten Anomalien zu bieten, erwähnte er den ungewöhnlichen Verschleiß von Toilettenpapier. Gewiss, im Sommer seien Darmstörungen nicht selten, aber weder er noch seine von ihm dazu befragte Sekretärin hätten in letzter Zeit unter solcherart Unpässlichkeiten gelitten. Ein ähnlicher Fall sei der übertriebene Verbrauch von Mineralwasser, das das Zentrum für die trockenen Kehlen der Kundschaft brauche. Über diese Ausgaben führte der Swami gewissenhaft Buch, so dass er sehr bald die Gewissheit erlangte, dass jemand von den Vorräten zehrte, wenn er und die Sekretärin nicht anwesend waren.
    «Könnten Sie präzisieren, an welchem Tag Sie die Anomalien zum ersten Mal festgestellt haben?», fragte ich.
    «Nicht exakt. Wie ich eben erklärt habe, waren es Kleinigkeiten, die ich erst nach und nach wahrgenommen habe. Ich würde aber sagen, dass das Phänomen, wenn wir es denn so nennen wollen, etwa eine Woche alt ist.»
    «Um den 18. August herum?»
    «Mehr oder weniger. Ich erinnere mich, dass es nach dem 15. war. Ist das von Bedeutung?»
    «Ja. Kennen Sie einen Mann namens Romulus der Schöne?»
    «Aber natürlich. Das ist

Weitere Kostenlose Bücher