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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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öffentlich, so würde es uns beiden schaden und niemandem nützen. Lavinia hat viel gelitten und braucht Gesellschaft, Trost und Verständnis. Ich biete ihr die drei Dinge und darf dafür mit ihr zusammen sein. Das ist nicht zu viel verlangt.»
    «Das müssen Sie wissen», sagte ich. Ich hatte keine Lust, diesem Schleimer weiter zuzuhören, und wenn ich mich schon nicht auf meine Angelegenheiten konzentrieren konnte, dann wollte ich wenigstens die restlichen Nachtstunden nutzen, um wieder zu Kräften zu kommen.
    Da es als erstes Gewissheit zu erlangen galt, ob Angela Merkel in den nächsten Tagen nach Barcelona kommen würde, rief ich am folgenden Morgen bei der Vanguardia an. Am Anfang versuchte man mir ein Abonnement anzudrehen, aber nach einer Weile wurde ich mit dem Lokalteil verbunden. Dort teilte man mir sehr höflich mit, man habe keine Nachricht, dass Frau Merkel in naher Zukunft nach Barcelona komme. Hingegen finde am Montag der folgenden Woche in Barcelona ein wichtiges internationales Wirtschafts- und Unternehmertreffen statt, und es sei nicht auszuschließen, dass die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland in einer Blitzreise der Veranstaltung mit ihrer Gegenwart Gewicht verleihen, bei der Beschlussfassung Einfluss nehmen und unsere Behörden um Rat bitten wolle, wie die Weltkrise am besten zu bewältigen sei.
    Da dieses Gespräch am Sonntag stattfand, hatten wir wenig Zeit, zu verhindern, dass am Montag, also am darauffolgenden Tag, ein Attentat auf Frau Merkel verübt würde, sollte diese denn beschließen, in Barcelona zu erscheinen. Ich suchte den Dandy Morgan auf, unterrichtete ihn über alles, was seit seinem Abgang am Vorabend geschehen war, und sagte, da wir die Pläne geändert hätten, sei es nicht mehr nötig, Lavinias Haus zu überwachen, hingegen sei an einem anderen strategischen Punkt ein Mann von seinen Erfahrungen vonnöten. Bald werde ihn ein Auto abholen, um ihn an seinen neuen Bestimmungsort zu fahren. Den Juli schickte ich wieder an seinen Beobachtungsposten vor dem Yogazentrum, obwohl ich es für ausgemacht hielt, dass sich der falsche Swami nach den nächtlichen Vorkommnissen nun ein anderes Versteck gesucht hatte.
    Als ich wieder in den Damensalon kam, schlief der Swami den Schlaf des Gerechten. Ich weckte ihn. Zunächst wusste er nicht genau, wo er sich befand und von welchen Ereignissen er hierhergespült worden war, aber als es in seinem Hirn Tag wurde, brach er in Tränen aus, weil er Gelassenheit, Sicherheit und Geschäft verloren hatte. Ich überließ ihn der Suche nach einem Mittel, um über seine Trostlosigkeit hinwegzukommen. Sowie es ihm wieder besser ging, fragte er, ob es etwas zu frühstücken gebe. Ich schickte ihn in das Lokal an der Ecke und legte ihm nahe, unterwegs seine Sekretärin anzurufen und ihr zu empfehlen, am nächsten Tag nicht ins Yogazentrum zu gehen, falls sich der Eindringling doch noch dort befinde.
    «Wenn Sie vom Frühstück zurück sind, sprechen wir über die Zukunft. Bleiben Sie nicht zu lange weg.»
    Während seiner Abwesenheit rief ich von der Telefonzelle aus das Restaurant Hund zu verkaufen an. Señor Armengol sagte, Juan Nepomuceno, der Filmfreak aus den Anden, sei nicht erschienen. Ich sagte ihm, wenn er komme, solle er ihn unverzüglich in den Salon schicken. Quesito, die ich danach anrief, hatte keinen den Fall betreffenden Anruf bekommen. Ich beschwor sie, die Leitung frei zu halten und das Handy griffbereit. Sie antwortete unkonzentriert – zwar überstürzten sich die Ereignisse, doch sie, launenhaft wie alle Jugendlichen, schien das anfängliche Interesse verloren zu haben. Als der Swami zurückkam, ein wenig belebter, gab ich ihm seine Wagenschlüssel, sagte, er solle den Dandy Morgan abholen, den er ohne Schwierigkeiten erkennen würde, und ihn dann zum Flughafen fahren. Anschließend solle er sogleich wieder herkommen. Er verschwand, und ich machte mich daran, den heikelsten Teil meines Plans auszuführen. Nach dem Regen hatte die Hitze ein wenig nachgelassen, und das dauernde Hin und Her war nicht mehr so erschöpfend.
    Meine Schwester war dabei, ihren häuslichen Obliegenheiten nachzukommen: Die Waschmaschine röhrte, der Topf brodelte, unter dem Bügeleisen vergessen brannte eine Hose, und im Radio intonierte eine Gesprächsrunde den gewohnten Chor unzimperlicher Schmähungen, während sie mit einem schmutzigen Lappen über die Möbel fuhr und dazu lauthals ein altes Lied verhunzte. Diplomatisch sah ich davon ab, diese

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